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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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verkrümmt, mit merkwürdigen Auswüchsen. Sie stocherte mit dem Stock daran herum und wunderte sich, wie weich sie war.
    «Wir dachten auch erst, es sei ein Stück Holz», sagte Kaj.
    Nina ließ den Stock fallen und wischte das Ende der Baumwurzel mit dem Ärmel ab.
    Ein hellblaues Auge starrte sie an.
    Sie wischte über das andere Ende.
    Noch ein Auge.
    Sie kratzte die Schlammschicht ab, darunter kamen Ohren und Nase zum Vorschein.
    «Ist er das?», fragte Holger. Nina nickte.
    «Das ist sein Teddy», antwortete sie. «Bist du sicher?»
    Sie drehte den Teddybären um und untersuchte das eine Bein. Die Naht am Fuß war aus dunkelblauem Garn, das durch die Nässe fast schwarz aussah.
    «Ja», sagte sie. «Das hier habe ich genäht.»
    «Viola hatte letztes Jahr zu Weihnachten einen Flanellpy jama für Alexander gekauft», sagte Holger. «Ich weiß nicht, ob es genau dieser war.
    Aber bei dem Teddy bist du dir ganz sicher?»
    Nina schluckte, sie spürte, wie ihr das Wasser übers Gesicht lief.
    Es ist nur Regen, es ist nur Regen.
    «Ja», sagte sie. «Das ist Alexanders Teddy. Ohne seinen Schmusebär ist er nie irgendwo hingegangen.» Die vier Männer senkten die Köpfe.
MONTAG, 7. JUNI
    Das Büro lag im zwölften Stock mit Aussicht auf die Skanstullsbron und das Gewerbegebiet von Hammarby. Die Möbel waren grau, die Wände weiß, der Fußboden blank. Die Besucherstühle im Flur waren aus schwarzem Leder, entworfen einzig zu dem Zweck, unbequem zu sein.
    Annika fühlte sich plump und verschwitzt in ihrer Strickjacke, und die Hosenbeine der Jeans waren nass und dreckig geworden, als sie über Berits Wiese ging. Sie zog die Füße unter den Stuhl und sah auf die Uhr.
    Thomas sollte längst hier sein.
    Der Schadenssachbearbeiter telefonierte hinter der geschlossenen Tür ihr gegenüber, sie konnte sein glucksendes Lachen durch den Türspalt hören.
    Für ihn ist das nur ein weiterer Tag im Büro. Für mich ist das hier Gehenna.
    Sie hatte auch in der vergangenen Nacht wieder schlecht geschlafen. Der Besuch im Betreuungsheim für Drogenabhängige brannte immer noch in ihr. Hoffentlich erwähnten die Kinder Thomas gegenüber nicht, dass sie sie dorthin mitgenommen hatte.
    Die Bürotür ging auf.
    «Frau Samuelsson? Bitte, treten Sie ein.»
    Der Versicherungsangestellte streckte ihr seine Hand entgegen und lächelte breit und unehrlich.
    «Bengtzon», sagte Annika, stand auf und nahm seine Hand. «Mein Mann heißt Samuelsson.»
    Der Aufzug hinter ihnen machte «pling», die Tür glitt auf, und Thomas kam heraus.
    Annika drehte sich zu ihm um und spürte einen Stich in der Brust.
    Mein Gott, wie gut er aussieht!
    Die Aktentasche schaukelte an seiner großen Hand, die Haare waren ihm in die Stirn gefallen. Er musste sich am Wochenende einen neuen Anzug gekauft haben, denn diesen da hatte sie nie in die Reinigung gebracht.
    «Entschuldigen Sie die Verspätung», begrüßte er den Sachbearbeiter etwas kurzatmig.
    Er warf Annika einen raschen Blick zu, und sie wandte sich hastig ab.
    «Mein Name ist Zachrisson», sagte der Versicherungsmensch, und sein Lächeln war jetzt eine Spur herzlicher. «Wenn Sie dann so freundlich sein wollen …»
    Annika nahm ihre Tasche, betrat das Büro und sah, dass die gesamte Außenwand aus Glas bestand. Die Wolken drückten gegen die Scheiben, und weit unten sah man das Wasser. Sie spürte Thomas' Anwesenheit hinter sich, seinen großen, festen Körper in dem neuen Anzug und dem frischgebügelten Hemd, er roch
anders,
er roch
nach ihr,
und sie spürte einen heftigen Impuls, geradewegs durch die Glasscheibe zu springen und zu fliegen, fliegen, fliegen, über den Hammarbykanal und in den Himmel hinein.
    «So eine Situation ist ja für die meisten neu», sagte Zachrisson und lächelte verbindlich. «Ich kann mir vorstellen, dass es ein Schock ist, sein Zuhause abbrennen zu sehen, mit allen Erinnerungen und …»
    Annika ließ den Blick hinaus ins leere Nichts wandern, in das Grau über dem Kopf des Mannes. Sie hörte, wie er dieselben Sprüche herunterleierte, die er im Laufe der Jahre Hunderten von Versicherungsnehmern vorgebetet hatte, über das Verständnis, das die Gesellschaft aufbrachte, und ihre praktisch grenzenlose Hilfsbereitschaft. Und sie spürte Thomas neben sich, und ihr wurde bewusst, dass sie nie wieder mit ihm zusammen im Vinterviksvägen wohnen würde, nicht dort, nicht in der Gegend.
    «Muss das Haus wiederaufgebaut werden?», fragte sie abrupt.
    Der Sachbearbeiter verlor den

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