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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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und hing wie eine willenlose Puppe in seiner mächtigen Pranke, während ihr die Tasche gegen die Beine schlug.
    Sie überquerten den Gang und stiegen in den Aufzug, Thomas drückte E für Erdgeschoss und ließ ihren Arm erst los, als die Türen sich geschlossen hatten. Annika atmete heftig und merkte, wie ihr Herz galoppierte.
    «Entschuldige», sagte sie. «Ich wollte nicht so ausrasten.»
    Thomas lehnte an der Fahrstuhlwand, vornübergebeugt, seine Haare hingen ihm ins Gesicht, und er starrte zu Boden.
    Sie hätte am liebsten die Hand ausgestreckt und ihm die Haare zurückgestrichen, seine Wange gestreichelt, ihn geküsst und ihm gesagt, dass sie ihn liebte.
    «Entschuldige», flüsterte sie wieder.
    Der Aufzug hielt mit einem leichten Ruck, und die Türen glitten auf. Thomas packte seine Aktentasche fester und ging eilig zum Hauptausgang. Annika trabte hinter ihm her, den Blick auf seinen blonden Hinterkopf gerichtet.
    «Warte», sagte sie, «warte doch, dann können wir reden …»
    Sie traten hinaus in den grauen Dunst. Verkehrslärm und Abgase schlugen ihnen entgegen.
    «Thomas», sagte sie, «willst du die Kinder nicht sehen? Was machen wir mit den Kindern …?»
    Er blieb stehen, drehte sich um und starrte sie aus seinen neuen Augen an, den geschwollenen, raubtierhaften.
    «Was zum Teufel machst du?», stieß er hervor.
    Sie hatte die Hand ausgestreckt, um seine Wange zu strei cheln, aber er zuckte zurück und sah aus, als wollte er sie anspucken.
    «Thomas», sagte sie, und die Welt um sie herum löste sich auf, und die Geräusche verschwanden. Die Hand, die versucht hatte, ihn zu streicheln, landete auf ihrer eigenen Brust.
    «Du bist ja völlig von Sinnen», sagte er und trat einen Schritt zurück.
    Sie trat dicht vor ihn und wollte sein Haar berühren.
    «Ich mache alles, was du willst», sagte sie und merkte, dass sie weinte.
    «Wo sind die Kinder jetzt?»
    Die Hände begannen unkontrolliert zu zittern, sie erkannte die Anzeichen einer nahenden Panikattacke.
    Ganz ruhig, es passiert nichts, es passiert nichts.
    «Sie sind bei Thord, er hat angeboten, sich um sie zu kümmern, während ich …»
    « Thord?
Welcher verdammte Thord? Ich fahre auf der Stelle hin und hole sie.»
    Sein Zorn war wie eine Welle, die über sie hereinbrach. Was hatte er gesagt? Was wollte er?
    Er ist wütend und gekränkt und will sich rächen.
    Die Welt kehrte zurück mit ihrem Sprühregen und dem Brausen des Verkehrs.
    «Das machst du nicht», sagte sie und spürte, wie ihr Puls langsamer wurde.
    Er drehte sich um und ging ein paar Schritte Richtung Götgatan, dann machte er kehrt und baute sich vor ihr auf. Seine Augen loderten.
    «Meine Kinder werden nicht von einer wie dir erzogen», sagte er. «Ich werde das alleinige Sorgerecht beantragen.»
    Sie blickte ihm in die Augen und sah darin nichts als totale Fremdheit.
    «Du schaffst es nicht, dich um Kalle und Ellen zu kümmern», sagte sie. «Das hast du noch nie getan.»
    «Sie sollen wenigstens nicht bei einer verdammten
Brandstifterin
wohnen!»
    Die letzten Worte schrie er heraus.
    So weit ist es also mit uns gekommen.
    Auf einmal wurde sie ganz ruhig.
    Na, wenn das so ist.
    Sie wandte den Blick ab und spürte, wie die Trauer sich in ihrem Körper breitmachte.
    «Ich habe heute noch einen Termin bei einem Anwalt», sagte Thomas. «Ich will die Scheidung so schnell wie möglich, und die Kinder kommen zu mir.»
    Sie sah ihn durch einen Tränenschleier.
    Ich habe das schon mal erlebt. Das hier ist schon einmal passiert, in einer anderen Zeit, mit Sven.
    Sie keuchte, spürte, wie der Körper sich spannte und bereit machte zur Flucht. Thomas' Gesicht schwebte vor ihren Augen, er hatte die Kiefer aufeinandergepresst, sodass sie ganz weiß wurden.
    Das ist nicht dasselbe, er wird nicht versuchen, mich totzuschlagen.
    «Ich denke, wir nehmen sie abwechselnd jeder eine Woche», brachte sie schließlich hervor. «Du kannst sie am Freitag abholen.»
    Er klemmte seine Aktentasche unter den Arm, wandte den Blick ab, drehte sich um und ging zielstrebig Richtung Götgatan, vornübergebeugt, die Schultern hochgezogen zum Schutz gegen den Wind.
    Ich sterbe nicht, ich sterbe nicht. Es fühlt sich nur so an.
    Nina betrat die Polizeiwache mit nagender Unruhe im Bauch. Zwar hatte sie in der Nacht angerufen und Bescheid gesagt, dass sie es nicht schaffen werde, mit dem Auto zurück zu sein, bevor der Wachleiter Dienstschluss hatte, aber da hatte Pelle Sisulu schon Feierabend gemacht und war nach

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