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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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«Nichts dauert mehr ein Leben lang, warum also eine Gefängnisstrafe ?»
    Thomas setzte sich zurecht und legte die Mappe vor sich auf den Schreibtisch.
    Das wird nicht leicht.
    «Ich denke dabei an die Rahmenbedingungen der Untersuchung», sagte er und schlug die Beine übereinander.
    Cramne stellte sich vors Fenster und sah hinaus auf den Riddarfjärden.
    «Die Ehe, zum Beispiel, die können wir doch vergessen», sagte er. «Wenn die immer noch ein Leben lang dauern würde, hätte ich schon dreimal gelebt – bisher, wohlgemerkt …»
    Er will mir nicht zuhören.
    «Haben Sie vor, sich wieder zu binden?», fragte Thomas und schob die Mappe ein Stück zur Seite.
    Cramne seufzte, drehte sich um und setzte sich auf seinen Stuhl.
    «Arbeitsverhältnisse sind auch eine Sache, die wir von der Lebenslang-Liste streichen können. Heute arbeitet kein Mensch mehr von der Wiege bis zur Bahre im selben Beruf. Die Leute wechseln nicht nur ihre Arbeitgeber, sondern auch ihre Berufe mehrmals im Laufe ihrer Karriere.»
    Thomas nickte und kramte in der Tasche nach einem Stift.
    «Freunde wechseln wir auch entlang des Weges», fuhr Cramne fort. «Mit Geschwistern muss man keinen Umgang pflegen …»
    «Kinder», unterbrach Thomas ihn und blickte hoch, den Stift schreibbereit. «Was?», sagte Cramne.
    «Die hat man ein Leben lang», sagte Thomas. «Aus einer Elternschaft kommt man nie wieder raus.»
    Cramne riss das Memorandum an sich.
    «Wollen wir aufhören, Steuergelder zu verschwenden, und anfangen zu arbeiten?»
    Er beugte sich über das Papier.
    Thomas hüstelte.
    «Die Direktiven», sagte er und nahm eine Kopie des Dokuments zur Hand. «Die spezifizieren ja sehr genau, dass die Kosten für den Strafvollzug nach der Abschaffung der lebenslänglichen Strafe nicht steigen dürfen. Aber nach meinen Berechnungen werden die Ausgaben explodieren, wenn dieses Vorhaben umgesetzt wird.»
    «Genauer, bitte», sagte Cramne und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    «Den Hintergrund kennen Sie ja. Das längste zeitlich begrenzte Strafmaß, das wir heute haben, beträgt zehn Jahre. Die lebenslängliche Freiheitsstrafe beläuft sich, in Zahlen ausgedrückt, im Schnitt auf zwanzig Jahre und sechs Monate. Da die meisten nach zwei Dritteln der Haftzeit entlassen werden, heißt das, dass sie nach ungefähr vierzehn Jahren wieder draußen sind. Wenn wir lebenslänglich als Strafmaß abschaffen, wird die neue Höchststrafe für Mord irgendwo zwischen einundzwanzig und fünfundzwanzig Jahren angesiedelt sein, eher Letzteres. Auf diese Weise entsteht eine Kluft von bis zu fünfzehn Jahren zwischen der höchsten und der zweithöchsten Strafe. Das ist unhaltbar. In der Folge werden die Strafmaße zwangsläufig nach oben angeglichen werden. Außerdem wird man die derzeitigen Möglichkeiten, härtere Strafen zu verhängen, ebenfalls nutzen …»
    «Das sind doch nur Spekulationen», wandte Cramne ein.
    Thomas holte vorsichtig Luft.
    «Überhaupt nicht», sagte er. «Ich habe das hier mit drei Professoren für Strafrecht, fünf Sachverständigen des Rates für Verbrechensprävention und natürlich mit dem Abgeordnetenausschuss diskutiert.»
    «Und was sagen die dazu?»
    «Binnen drei Jahren wird die Strafmaßskala so weit nach oben ausgedehnt, dass wir eine Menge Strafen über zwölf Jahre, dreizehn Jahre haben. Internationale Erfahrungen zeigen, dass die Abschaffung der lebenslänglichen Freiheitsstrafe zu insgesamt längeren Zeitstrafen führt. Wenn wir das nächste Mal einen Serienvergewaltiger wie den Hagamann verurteilen, wird er achtzehn Jahre Gefängnis bekommen.»
    «Und?», sagte der Abteilungsleiter. «Sie sind Beamter. Was Sie da äußern, sind politische Einschätzungen, und das steht Ihnen nicht zu.»
    Die Stimme des Chefs war genauso freundlich wie immer, aber in seinen Worte lag eine ungewohnte Schärfe.
    «Das hier sind keine politischen Einschätzungen, sondern realistische», erwiderte Thomas. «Meine Aufgabe ist, den Kostenanstieg bei einer bestimmten Gesetzesänderung zu beurteilen, und nichts anderes habe ich getan. Falls wir die lebenslängliche Freiheitsstrafe abschaffen, werden alle anderen Strafen angehoben, das wird binnen weniger als drei Jahren passieren, und es wird, vorsichtig geschätzt, eine dreißigprozentige Kostensteigerung für den Strafvollzug nach sich ziehen …»
    Cramne stand auf, umrundete den Schreibtisch und schloss die Tür. Thomas beobachtete ihn verwundert und bemerkte, dass sein Gesicht ein wenig

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