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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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sagte sie. «Was ist daran falsch?»
    «Ich denke, Sie sollten besser die Finger von Davids Vergangenheit lassen. Er musste ins Ausland, weil ein paar Leute ihm an den Kragen wollten. Die mögen es nicht, wenn sie daran erinnert werden.»
    «Und mit ‹die› meinen Sie wen? Irgendwelche kriminellen Gruppen?»
    Nina starrte in ihren Kaffeebecher, ohne ihn anzurühren.
    «Leute, die David in den Knast gebracht hat?», fuhr Annika fort. «Kriminelle, die er hat hochgehen lassen, oder deren Familien und Geschäftskumpane?»
    «Ich verstehe nicht, was das mit der Sache hier zu tun hat», sagte Nina und schob den Kaffeebecher von sich. «David ist tot, und Julia wird wegen Mordes verurteilt werden.»
    Sie beugte sich vor.
    «Ich sage das, um Ihnen einen Gefallen zu tun. Nicht alles ist so, wie es zu sein scheint.
    Menschen haben verborgene Lebensläufe. Sie betrachten David Lindholm und sehen einen korrupten Bullen mit steinharter Fassade, aber Sie wissen nichts über seine Vergangenheit. Seine Mutter kam nach der Kapitulation der Nazis mit den Weißen Bussen nach Schweden, die einzige Überlebende ihrer gesamten Familie. Sie war sechzehn, als sie hier ankam, und schon damals krank. Sie lebte im Pflegeheim, seit David ein Teenager war. Sie sollten ihn nicht vorschnell verurteilen.»
    Annika richtete sich auf.
    «Ich verurteile niemanden, im Gegenteil. Ich glaube, es besteht die Möglichkeit, dass Julia unschuldig ist. Es gibt anscheinend eine Menge anderer Menschen da draußen, die ein Motiv hatten, David zu ermorden, und gegen die hat man nicht ermittelt…»
    «Was wissen Sie denn schon.»
    Die Erwiderung war kurz und sehr scharf.
    Annika trank einen Schluck Kaffee, starrte auf den Tisch und kam sich dumm vor.
    «Sie haben doch keine Ahnung, was die Polizei unternommen hat, oder?», sagte Nina.
    «Sie wissen ja nicht einmal, was die gerichtspsychiatrische Untersuchung ergeben hat.
    Stimmt's?»
    «Ja», sagte Annika, «das stimmt, aber krank war sie wohl nicht, denn sie kann ja zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden.»
    Nina stand auf.
    «Es nennt sich dissoziative Persönlichkeitsstörung, oder auch multiple Persönlichkeit.»
    Annika spürte, wie sich ihre Haare im Nacken sträubten.
    «Wie bei Sybil, dieser Amerikanerin mit den sechzehn Persönlichkeiten ?»
    «Die G PU erklärt ihre Verdrängung mit einer vorübergehenden Geistesverwirrung, in der sie in die Rolle einer anderen Person geschlüpft ist, sie war diese andere Frau.»
    Nina sah hinunter in den Hinterhof.
    «Ich bin Polizistin geworden, weil ich Menschen helfen wollte», sagte sie. «Manchmal glaube ich, dass Julia mit mir gekommen ist, weil sie nichts Besseres vorhatte. Wahrscheinlich hätte sie lieber etwas ganz anderes gemacht, wäre gern auf die Sozialpädagogische Hochschule gegangen oder Lehrerin geworden, oder vielleicht Künstlerin …»
    Sie schwieg. Annika wartete.
    «Ich frage mich die ganze Zeit, ob ich etwas hätte anders machen können», fuhr Nina fort. «Wann habe ich versagt, warum war ich nicht verlässlich genug …»
    «Könnte sich eine andere Frau in der Wohnung befunden haben?»
    Nina schüttelte den Kopf.
    «Alles deutet auf Julia hin. Aber ich begreife nicht, warum sie weiterhin schweigt. Jetzt kann sie doch erzählen, was wirklich zwischen ihr und David vorgefallen ist. Nicht, dass es etwas am Sachverhalt ändern würde, aber wir könnten sie wenigstens ein bisschen besser verstehen.»
    Annika blickte auf ihre Hände.
    «Mein Haus ist ja im Sommer abgebrannt», sagte sie. «Ich weiß, dass die Polizei gegen mich ermittelt. Sie denken, ich hätte es angezündet, aber sie haben keine Beweise, sonst hätten sie mich längst verhaftet. Und dabei weiß ich doch, dass ich es nicht getan habe.»
    Sie blickte zu Nina auf, die sich umgedreht hatte und sie mit offenem Blick musterte.
    «Was, wenn Julia wirklich unschuldig ist», sagte Annika. «Was, wenn tatsächlich eine andere Frau dort war. Können Sie sich etwas Teuflischeres vorstellen?»
    «Das ist alles untersucht worden», sagte Nina. «Es war keine andere Person dort.»
    «Schon», sagte Annika. «Aber nur mal
angenommen …»
    Nina ging zum Tisch, stemmte beide Hände auf die Platte und beugte sich vor.
    «Schließen Sie nicht von sich auf andere», sagte sie leise und nachdrücklich. «Sie mögen ja unschuldig sein, aber das heißt nicht, dass Julia es auch ist. Julia war krank, aber jetzt geht es ihr besser, und sie wird zu einer sehr langen Gefängnisstrafe verurteilt

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