Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
Vom Netzwerk:
nachholen und endlich ihr eigenes Leben leben …
    Annika hatte nicht einmal geantwortet. Mit jeder Äußerung würde sie nur Ol ins Feuer gießen.
    Die Rettung war ihr Job gewesen.
    Jeden Tag
ohne die Kinder,
in der neuen, geruchlosen Wirklichkeit, hatte sie von frühmorgens bis in die Nacht mit Arbeit verbracht.
    Besonders viele Artikel waren nicht dabei herausgekommen. Es hatte sie so viel Kraft gekostet, den Ozean aus Zeit nicht über die Ufer treten zu lassen.
    Und dann rief Thomas mitten in der Nacht aus der Kneipe an und brachte ihr ganzes mühsames Gerüst zum Einsturz.
    Sie sah auf die Uhr.
    Eva-Britt Qvists große Versammlung hatte begonnen, die Abstimmung über
ihre gemeinsame Zukunft.
    Annika blieb auf dem Bürgersteig stehen und verschloss die Augen vor dem Grau. Die Menschen strömten weiterhin an ihr vorbei, von vorn und von hinten, sie stießen sie an, murmelten Entschuldigungen und traten ihr auf die Füße.
    Ein Haltepunkt, etwas, um sich daran festzuhalten, eine Form und eine Farbe in all der Leere.
    Rund um den Tisch der Tagesreporter wimmelte es von Leuten. Eva-Britt Qvists stachelige Frisur ragte aus der Menschentraube, und Annika vermutete, dass die Betriebs ratsvorsitzende sich auf den Tisch gestellt hatte, um ein wenig von der guten alten Achtundsechziger-Atmosphäre heraufzubeschwören.
    «Hier geht es um Solidarität», rief sie mit einer Stimme, die sich beinahe überschlug.
    Annika stellte sich ans Newsdesk und legte ihre Tasche auf Spikens Schreibtisch ab.
    «Sind die schon länger zugange?», fragte sie leise.
    «Eine Ewigkeit», antwortete der Chef vom Dienst, ohne von seiner Zeitung aufzublicken, dem
Norrbottens-Kurirer,
wie Annika bemerkte.
    «Wir müssen füreinander einstehen!», rief Eva-Britt Qvist. «Dies ist nicht die Stunde der Solisten, sondern die des ganzen Orchesters.»
    Vereinzelter Beifall.
    «Drischt sie diese Phrase eigentlich jedes Mal?», sagte Annika und öffnete eine Dose Mineralwasser, die auf dem Tisch stand.
    Spiken stöhnte und blätterte seine Zeitung um.
    «Wenn wir auf die Forderungen der Verlagsleitung eingehen, vom Kündigungsschutzgesetz abzuweichen, wird der Arbeitgeber nach völlig eigenem Gutdünken Mitarbeiter feuern und abfinden können. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Verlagsleitung ihren Willen durchsetzt, wir müssen jetzt zusammenhalten …»
    «Was genau will denn die Verlagsleitung?», fragte Annika und trank einen Schluck aus der Dose.
    «Dass die Leute die Klappe halten und arbeiten», sagte Spiken und stopfte den
Norrbottens-Kurirer
in die Altpapiertonne.
    «Was haben wir uns für diese Zeitung abgestrampelt! Wie haben wir unser Engagement bewiesen, wieder und wieder und wieder! Umstrukturierungen und Internetpro jekte und Kürzungsmaßnahmen, alles haben wir durchgestanden und immer weiter gekämpft, aus Verantwortung unseren Lesern gegenüber …»
    Zustimmendes Gemurmel von den Gewerkschaftsmitgliedern.
    «Wir müssen beweisen, dass wir den Kampf gegen die Bosse und ihr schnödes Gewinndenken geschlossen aufnehmen. Wir müssen beweisen, dass wir über eine schlagkräftige Gegenwehr verfügen. Deshalb rufen wir von der Gewerkschaft heute zu einer gemeinsamen und kollektiven Streikmaßnahme auf, um den Bossen zu zeigen, dass wir es ernst meinen. Wir lassen uns krankschreiben!»
    Annika hätte sich beinahe an ihrem Wasser verschluckt.
    Krankschreiben ?!
    Sie starrte auf Eva-Britt Qvist, die ihre Arme in die Höhe gereckt hatte, als erwarte sie tosende Jubelrufe.
    «Wir lassen uns krankschreiben?», sagte Annika. «Spinnt die jetzt total?»
    Sie stellte das Wasser auf Spikens Schreibtisch ab.
    «Wir werden denen da oben zeigen, was passiert, wenn keiner von uns zur Arbeit erscheint. Wir werden ihnen weiß Gott beibringen, welche Konsequenzen es hat, wenn man sich weigert, auf seine Mitarbeiter zu hören …»
    «Also echt», sagte Annika. «Die hat doch wirklich ein Rad ab.»
    Ein Mädchen im Blazer drehte sich um und zischte sie ärgerlich an. Es war Ronja Räubertochter, die zickige Jungreporterin.
    «Was ist?», fragte Annika. «Findest du Massenkrankschreibungen etwa okay?»
    Ronja wandte ihr den Rücken zu und verschränkte die Arme vor der Brust.
    «He, ich rede mit dir», sagte Annika. «Findest du es in Ordnung, das Sozialversicherungssystem auszunutzen, um sich am Arbeitgeber zu rächen?»
    Es war ganz still um sie herum geworden, Annikas letzte Worte schallten durch die Menge der Versammelten.
    Eva-Britt Qvist hatte den Faden

Weitere Kostenlose Bücher