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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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verloren, sie suchte die Menge mit den Augen ab, bis sie Annika entdeckte, hob den Arm und richtete einen zitternden Zeigefinger auf sie.
    «Hast du etwas hinzuzufügen?», rief sie indigniert.
    Alle drehten sich zu Annika um; sie merkte, dass ihr Puls hochschnellte, doch sie zuckte mit den Schultern.
    «Sich krankmelden ist keine Streikmaßnahme», sagte sie. «Die Versicherungskasse auf diese Art auszunutzen ist vielmehr Betrug. Vorspiegelung falscher Tatsachen.»
    Zwei rote Flecke zeigten sich auf Eva-Britts Wangen.
    «Solidarität», rief sie. «Weißt du, was das ist?»
    Annika fühlte sich unbehaglich, sie spürte die Blicke der Kollegen auf der Haut brennen.
    «Tja», sagte sie, «und wo bleibt unsere Solidarität mit all den kranken Menschen, wenn wir deren Geld dazu benutzen, um Anders Schyman eins auszuwischen?»
    «Solidarität ist, wenn man sich ins Kollektiv einfügt», schrie Eva-Britt Qvist. «Das ist, wenn man sich für etwas Größeres einsetzt als sich selbst, aber das hast du ja noch nie getan!»
    Plötzlich kochte Annika die Galle über. Da zeigte diese dumme Kuh auf einer Betriebsversammlung vor der ganzen Redaktion mit dem Finger auf sie. Annika ging ein paar Schritte auf die Kollegen zu und spürte einen Kloß im Hals.
    Jetzt kein Selbstmitleid, und fang um Gottes willen nicht an zu heulen.
    «Moment», sagte Emil, der plötzlich direkt neben ihr stand. «Darüber kann man doch diskutieren. Das hier ist schließlich eine Versammlung.»
    «Alle müssen zusammenhalten!», schrie Eva-Britt Qvist. «Darauf haben wir uns geeinigt!»
    Annika blickte verwundert den Jungen neben sich an. Hatte man so was schon gesehen? Ein Nachwuchsjournalist mit Zivilcourage!
    «Wer hat sich hier auf was geeinigt?», fragte Annika und wandte sich zur Großen Vorsitzenden um. «Du und wer noch? Wir etwa, deine Gewerkschaftsmitglieder?»
    «Annika hat im Grunde recht», hörte sie jemanden hinter sich sagen.
    «Das hier ist eine konzertierte Aktion!», rief die Betriebsratsvorsitzende. «Wir müssen Geschlossenheit demonstrieren, um unsere Forderungen durchsetzen zu können.»
    «Welche Forderungen denn? Die Leute gemäß Kündigungsschutzgesetz zu feuern?», sagte Annika. «Wieso sollte ausgerechnet das gerecht sein?»
    «Genau!», rief Patrik Nilsson.
    Jetzt kam Bewegung in die Leute, Gemurmel wurde laut.
    «Wir müssen zusammenhalten», schrie Eva-Britt Qvist, und nun war ihre Stimme tatsächlich in ein Kreischen umgeschlagen.
    «Damit du deinen Job behalten kannst», rief jemand auf der anderen Seite. «Und was ist mit uns?»
    «Ja, genau, was ist mit uns?»
    Annika ging ein paar Schritte rückwärts, umrundete Ronja und nahm ihre Tasche vom Newsdesk. Das Stimmengewirr war lauter geworden, sodass sie das Schreien der Betriebsratschefin nicht mehr verstehen konnte.
    Es würde einige Zeit dauern, bis sie sich an ihren Platz setzen und arbeiten konnte.
    Anders Schyman beobachtete, wie Annika Bengtzon eine Essensmarke aus ihrem Portemonnaie nahm und Richtung Kantine verschwand.
    Er saß in einem leeren Rundfunkstudio und verfolgte die Betriebsversammlung bei offener Tür.
    Eva-Britt Qvist war als Betriebsratsvorsitzende eine noch größere Katastrophe, als er sich hatte vorstellen können, und das wollte schon etwas heißen.
    Sie ist es nicht wert, einen Kampf zu riskieren.
    Er erinnerte sich daran, was für einen unglaublichen Aufstand es gegeben hatte, als eine Zeitung in Smaland vor einigen Jahren versuchte, einen aufsässigen Betriebsrat loszuwerden. Der Mann hatte sich an seinem Arbeitsplatz unmöglich gemacht. Er widersetzte sich allem und jedem und verweigerte konsequent die Arbeit mit dem Argument, sie sei unter seiner Würde; er behauptete, sich mit Recherchen zu befassen, während er in Wirklichkeit bloß auf Pornoseiten herumsurfte, und als ihm aufging, dass er kurz davor stand, entlassen zu werden, hatte er dafür gesorgt, dass man ihn zum Betriebsratsvorsitzenden wählte. Die Chefredaktion hatte trotzdem versucht, sich seiner zu entledigen, mit dem Ergebnis, dass die gesamte schwedische Gewerkschaftsbewegung sich hinter diesen nichtsnutzigen Reporter stellte. Es endete damit, dass er Ombudsmann in der Hauptgeschäftsstelle des Journalistenverbands in der Vasagatan wurde. Ganz Medien-Schweden hatte gejubelt, was für ein Sieg!
    Dass er drei Monate später auch seinen Job bei der Gewerkschaft verlor, wurde von niemandem registriert, außer vom Verband der Zeitungsherausgeber. Heute fuhr der Mann Taxi in

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