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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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werden. So ist das.»
    «Aber warum hat sie es getan?», fragte Annika.
    Nina setzte sich.
    «Irgendwas ist zum Schluss passiert», sagte sie dann. «Julia hat mir nie erzählt, was los war, aber sie war sehr ängstlich und nervös. Sie legte auf, wenn ich anrief, wollte nicht, dass wir uns treffen. Ich habe mir wirklich Sorgen um ihre psychische Verfassung gemacht, aber ich hätte nie gedacht, dass sie … dass sie …»
    Ihre Stimme erstarb, Nina Hoffman trank einen Schluck kalten Kaffee und verzog das Gesicht.
    «Okay», sagte Annika langsam. «Wenn ich die Sache richtig verstehe, dann sieht es so aus: David hatte Feinde im kriminellen Milieu. Mit einigen von ihnen behielt er Kontakt, indem er als Bewährungshelfer und Vertrauensmann fungierte. Er saß in der Geschäftsleitung diverser Unternehmen …»
    Nina blickte auf.
    «Das wussten Sie nicht?», fragte Annika. «Er war an mindestens vier Firmen beteiligt.
    Ist es normal, dass Polizisten das tun?»
    Nina schaute auf die Uhr.
    «Ich muss los», sagte sie. «Will noch zum Training.»
    «Ich auch, ich muss zu einer Sitzung», sagte Annika und sah auf ihre eigene Armbanduhr. «Nur eins noch: Hat David jemals über die Axtmorde in der Sankt Paulsgatan gesprochen?»
    Nina räumte die Kaffeebecher ab.
    «Warum fragen Sie?»
    Annika fuhr sich durch die Haare.
    «Er war Vertrauensmann für Filip Andersson, den Finanzmann, der wegen der Morde verurteilt wurde. Laut Christer Bure war David der Überzeugung, dass Andersson unschuldig war. Wieso glaubte er das?»
    Nina trat dicht an Annika heran.
    «David hat Julia und Alexander wirklich geliebt», sagte sie. «Er war ein gestörter Mann mit krankhaftem Verhalten, aber Julia und Alexander waren die einzigen Menschen, die ihm wirklich etwas bedeuteten.»
    «Wusste David etwas über die Axtmorde, was kein anderer wusste?», fragte Annika.
    Nina zog einen Dufflecoat an, hängte sich eine Sporttasche über die Schulter und ging zur Tür.
    Die Betriebsversammlung begann in einer Viertelstunde, Annika würde auf jeden Fall zu spät kommen.
    Sie ging die Folkungagatan hinunter und merkte, dass ihr nicht danach war, sich zu beeilen; sie watete durch Treibsand – es spielte ohnehin keine Rolle.
    Die Welt hatte die Farbe von Blei. Sie wurde das vage Gefühl von Unwirklichkeit nicht los, das sie umgab. Menschen schwebten an ihr vorbei wie ungreifbare Schatten, ihre Gesichter hatten starre Mienen und leere Münder; sie fragte sich, ob sie wirklich lebten oder nur so taten, als ob.
    Sie war am Morgen aufgewacht und völlig orientierungslos gewesen. Das Licht war auf ihr Bett gefallen, grau und massiv, und hatte ihr das Atmen schwer gemacht.
    Seit fünf Monaten wohnte sie nun dort, ein Sommer auf der Västerlänggatan in Gamla Stan, mit den weggeworfenen Eistüten der Touristen vor dem Haus und den Straßenmusikanten vor den Fenstern, die «Streets of London» so unermüdlich verhunzten, dass sie hätte kotzen können.
    Eigentlich hätte sie mittlerweile daran gewöhnt sein müssen, aber sie wusste, wo das Problem lag.
    Die Zeit war das Problem, ein Ozean aus Zeit, der sie plötzlich umspülte, alle Zeit der Welt, am Tage wie am Abend wie in der Nacht.
    Die Leere nach den Kindern, dachte sie, Äonen an Zeit, die für Wichtiges genutzt werden konnte, all die Verantwortung, die plötzlich fehlte, ersetzt durch Ströme von geruchloser, farbloser
Zeit.
    Sie wusste nicht, was sie damit anfangen sollte.
    Die Wochen ohne die Kinder waren ein freier Fall ohne Bezugspunkte gewesen – Minuten und Stunden schreiender Leere.
    Berit war zusammen mit Thord in Urlaub gefahren und hatte ihre Kinder besucht, mit ihr hatte sie also nichts unternehmen können.
    Ihre Mutter hatte angerufen, als Annikas kleine Schwester dreißig wurde, und gefragt, warum sie nicht zu Besuch gekommen war. Annika hatte geantwortet, sie müsse arbeiten und könne nicht weg. Das war eine reine Lüge, was ihre Mutter ohnehin angenommen und ihr vorgeworfen hatte.
    Anne Snapphane hatte sich ein paarmal per E-Mail gemeldet und sie mit verworrenen und aggressiven Anschuldigungen von derselben Art überschüttet wie in jener Nacht, als Annikas Haus abgebrannt war: Sie, Anne, habe ihr eigenes Leben aufgegeben, nur um Annika zu unterstützen, immer habe sie auf das verzichtet, was ihr zustand, sie habe zugelassen, dass Annikas schlechte Ehe ihre Beziehung mit Mehmet zerstörte, ihr sei klar geworden, dass sie immer nur zurückgesteckt habe, und deshalb müsse sie jetzt
alles

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