Lebenslänglich
Bewährungshelfer tätig ist, wohl kaum geeignet sein dürfte, dieser Person zu schaden. Wesentlich sensibler ist da schon die Auskunft, dass man im Gefängnis gesessen und einen Bewährungshelfer gehabt hat.
Wir müssen die Sache von Fall zu Fall beurteilen.»
«Sehr gut», sagte Annika. «Ich möchte eine solche Information überprüfen. Wie lange dauert es, bis eine Antwort kommt, und von wem kommt sie?»
«Derartige Entscheidungen treffen wir auf Beamtenebene, das dürfte ziemlich schnell gehen. Sie erhalten die Antwort binnen weniger Tage.»
Ich will die Antwort JETZT!
Annika bekam die Mail-Adresse der Juristin, bedankte sich und legte auf.
Dann schrieb sie rasch einen formlosen Antrag auf Auskunft darüber, wen David Lindholm als Bewährungshelfer und / oder Vertrauensmann betreut hatte, bis so weit zurück in der Vergangenheit, wie die Aufzeichnungen reichten.
Sie seufzte und schob den Laptop von sich.
Himmel, ich klammere mich wirklich an jeden Grashalm!
Hinter sich hörte sie Patrik Nilsson und Spiken in extrem gereiztem Ton diskutieren.
Es ging natürlich um den heimgekehrten Polizistenmörder.
«Das ist ein unglaublicher Skandal», posaunte Patrik.
Spiken brummelte etwas.
«Meine Quelle ist bombensicher: Die Yankees haben im Austausch für Gabrielsson etwas von der Regierung bekommen. Wir müssen herauskriegen, was das war. Eine Razzia gegen Raubkopierer? Landeerlaubnis auf Bromma für die CIA ?»
Annika stand auf, sie konnte das nicht länger mit anhören.
Liebe Verlegerfamilie, bitte macht der Qual ein Ende und feuert die, die gefeuert werden müssen, damit man endlich mal Ruhe zum Arbeiten hat.
Sie ging zum Kaffeeautomaten und nahm einen Schwarzen, extra stark, ohne Milch, ohne Zucker. Dann blieb sie neben einem der Kaffeetische stehen, drehte den Plastikbecher zwischen den Fingern und dachte über Julia Lindholms Krankheitsdiagnose nach.
Multiple Persönlichkeit. Klingt wie ein schlechter Film.
Heutzutage behaupteten ja fast alle Mörder, auf irgendeine Art psychisch gestört zu sein. Wenn sie keine Stimmen hörten, waren sie unfreiwillig mit Anabolika gedopt oder gaben an, als Kind zu früh / zu spät ans Töpfchen gewöhnt und mit den falschen Spielsachen traktiert worden zu sein. Man sollte Mitleid haben mit den Arbeitslosen, weil sie keine Arbeit hatten, mit denen, die Arbeit hatten, weil sie ausgebrannt waren, mit den Jungen, weil sie noch keine Chance gehabt, und mit den Alten, weil sie ihre Chance nie genutzt hatten.
Ehefrauenmörder hatten natürlich immer
wahnsinnig
gelitten, weil sie nicht über ihre Frauen bestimmen durften, sie nicht besteigen durften, wann sie wollten, und nicht steuern konnten, mit wem sie ein Schwätzchen hielten. In den allermeisten Fällen zeigten die Gerichte Verständnis für die armen Frauenquäler, schrieben seitenlange Urteilsbegründungen, warum sie so milde wie möglich zu bestrafen waren, und kannten dabei noch nicht einmal den richtigen Namen des Mordopfers. Die getötete Frau wurde Lundberg und Lundgren und Berglund genannt, alles wild durcheinander, während der arme Mörder, der die Frau ja auf eine anständige und humane Weise umgebracht hatte, zur gesetzlichen Mindeststrafe verurteilt wurde, weil er so deprimiert darüber gewesen war, dass sie mit ihm Schluss gemacht hatte. Zehn Jahre in einem kleinen Gefängnis mit Chor und Grünflächen und dann nach sechseinhalb Jahren wieder auf freiem Fuß.
Und jetzt wurde behauptet, Julia leide unter Persönlichkeitsspaltung wie diese Sybil.
Wie viel Mitleid muss man mit ihr haben? Gab es nicht sogar einen Film über die Amerikanerin?
Sie kippte den Rest Kaffee weg und ging an ihren Platz zurück. Patrik Nilsson hatte das Newsdesk verlassen und hackte drüben in der Kriminalredaktion frenetisch auf seinem Computer. Sie seufzte erleichtert.
Annika googelte «Sybil», und tatsächlich: Es gab sowohl einen Roman als auch einen Fernsehfilm, der die wahre Geschichte einer jungen Frau erzählte, die während ihrer Kindheit so schrecklich gequält worden war, dass sie sechzehn verschiedene Persönlichkeiten entwickelte. «Sybil», die eigentlich Shirley Ardell Mason hieß, litt als junges Mädchen unter Nervenzusammenbrüchen und langen Blackouts.
Nachdem sie bei der Psychiaterin Cornelia B. Wilbur eine Therapie mit Hypnose und Psychopharmaka gemacht hatte, kam heraus, dass die Gedächtnisverluste darauf beruhten, dass eine ihrer anderen Persönlichkeiten ihren Körper übernommen und jede Menge
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