Lebenslänglich
Sundbyberg.
Theater für die Massen. So funktioniert das. Sollen sie ihre Schlagzeilen doch haben.
Jetzt hatten sie ihre große Versammlung hinter sich, und die Belegschaft war aufgewiegelt. Jetzt war es an ihm, mit Zugeständnissen zu kommen.
Anders Schyman streckte die Beine aus.
Die Betriebsversammlung war interessant verlaufen. Es hatten sich ein paar unerwartete Aufmüpfige herauskristallisiert. Dass Annika Bengtzon sich gegen Qvists Dummheiten auflehnen würde, hatte er erwartet. Zum einen, weil sie ihre ehemalige Redaktionssekretärin nicht leiden konnte, zum anderen, weil sie instinktiv allergisch auf Gesetzesverstöße reagierte (sofern sie nicht von ihr selbst oder ihren Vertrauten begangen wurden, dann waren sie völlig in Ordnung).
Für ihn war es natürlich ein Vorteil, dass Eva-Britt eine Frau war. Sie würde nie dieselbe Autorität wie ein Mann genießen. Ihr Scheitern würde als persönliche Niederlage gewertet werden, auf die anderen Betriebsräte würde nicht der Hauch eines Schattens fallen.
Sie wird leicht zu versetzen sein, wenn das hier überstanden ist. Keiner wird sich für sie starkmachen.
Nach einer langen Reihe von Verhandlungen waren er und Eva-Britt Qvist zu einer gemeinsamen Rahmenvereinbarung über die Personalkürzungen gekommen. Gemäß dieser Vereinbarung, abgesegnet von der Betriebsratsvorsitzenden, war die Redaktionsleitung der Zeitung von jeglichen arbeitsrechtlichen und sozialplanrelevanten Maßnahmen ausgenommen. Alles andere sei unrealistisch, hatte Schyman behauptet, und Qvist hatte schnell eingelenkt.
Vielleicht rechnete sie damit, bald selbst dazuzugehören.
Es waren keine Vorbehalte formuliert worden, keine Präzisierungen, welche Führungspositionen damit gemeint waren, und keinerlei Ausnahmen.
Dieser neue Bursche, Emil, und dann Patrik. Die Jungs von der Online-Redaktion und die Frauen von der Unterhaltung.
Alle sollten laut Betriebsratsliste fliegen.
Er betrachtete den Haufen der Redaktionsmitarbeiter, der langsam zu immer kleineren Häufchen zerfiel, und irgendwann kehrten alle wieder an ihre Arbeitsplätze zurück.
Der Chefredakteur erhob sich und ging in sein Zimmer.
Wir werden die Zeitung mit der größten Redaktionsleitung der Welt sein.
Kaffeebecher, Coladosen und Apfelsinenschalen türmten sich auf dem langen Tisch der Tagesreporter. Annika fegte den Müll aus einer Ecke in einen Karton für Recyclingpapier und verbannte unter Aufbietung größter Willenskraft den restlichen Abfall aus ihrer Wahrnehmung. Sie packte ihren Laptop aus und loggte sich ein. Dann holte sie die Unterlagen vom vorherigen Abend aus der Tasche, die Notizen zu den Telefonaten und die Ausdrucke ihrer Internet-Recherchen.
Die Frage war, ob sich das alles jemals verwenden ließ.
Da waren all die Leute in den verschiedenen Firmen, der Tote auf dem Parkplatz in Norrköping, der zu lebenslänglich verurteilte Amerikaner, der nach einem Zwischenfall aus Tidaholm verlegt wurde …
Sie blieb an den Notizen zum Telefonat mit der Hauptwache des Gefängnisses Tidaholm hängen. Der Wachmann hatte gesagt, dass David Lindholm der
Vertrauensmann
des Amerikaners gewesen war.
Vertrauensleute waren Kontaktpersonen der Lebenslänglichen, die Aristokraten unter den Bewährungshelfern.
Mit welchen anderen Verbrechern hatte David Lindholm offiziell Kontakt? Wie bekommt man das raus? Ist diese Information öffentlich zugänglich?
Sie konnte sich nicht erinnern, schon jemals vor dieser Frage gestanden zu haben.
Sie tippte www.kw.se ins Suchfeld des Browsers, rief die Kontaktinformationen der Justizvollzugsbehörde auf, griff zum Telefon, wählte die Nummer in Norrköping und wurde mit einer Amtsjuristin verbunden, die sich mit Öffentlichkeitsangelegenheiten auskannte.
«Diese Information unterliegt der Geheimhaltungsverordnung innerhalb des Justizvollzugs», sagte die Juristin. «Da es die privaten Verhältnisse eines Einzelnen betrifft. Die Informationen sind also nicht öffentlich.»
«Kann man die Herausgabe beantragen?», fragte Annika.
Die Juristin zögerte.
«Ja, das ist möglich. Wenn wir eine Anfrage erhalten, wird sie nach üblichem Verfahren geprüft.»
«Wo?»
«Hier, in der Zentrale. Wir haben Zugang zu allen Informationen.»
«Sie meinen also, man kann herausbekommen, ob jemand Bewährungshelfer war und für wen?» Die Juristin überlegte laut.
«Wir dürfen keine Informationen herausgeben, die nachteilig für den Betreffenden sind. Wobei die Information, dass jemand als
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