Lebenslänglich
schon mal begegnet, sie weiß also, wer ich bin …»
«Es gibt viele, die meine Mandantin interviewen wollen», erwiderte er dumpf.
«Ja, schon, aber ich weiß, dass alle Haftbeschränkungen aufgehoben wurden und dass sie empfangen kann, wen sie will, würden Sie also so nett sein und meine Anfrage an sie weiterleiten?»
Er seufzte.
«Und dann ist da die Sache mit der dissoziativen Identitätsstörung», sagte Annika nonchalant. «Wie lautet Ihr Kommentar dazu, dass das Rechtsmedizinische Institut der Ansicht ist, Julia könne zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden, obwohl sie offenbar die Rolle einer anderen Person, nämlich dieser anderen Frau angenommen hatte?»
«Ah», sagte der Anwalt, «das ist ja die Expertenmeinung, dazu kann ich mir kein Urteil erlauben …»
Hurra! Bestätigt! Druckbar!
«Und dann frage ich mich, was eigentlich mit Michael Harold Stevens passiert ist», sagte Annika.
Es blieb eine Weile still in der Leitung, dann räusperte sich Lennström.
«Wieso fragen Sie sich das?»
«David Lindholm war sein Vertrauensmann, aber Ste vens hatte irgendeine Art Unfall in der Vollzugsanstalt Tidaholm und wurde Hals über Kopf nach Kumla verlegt, und danach war David nicht mehr sein Vertrauensmann. Ich frage mich, was da wohl passiert sein mag.»
«Haben Sie das Urteil gelesen?»
«Yes, Sir.»
«Dann wissen Sie, dass Mike sich schuldig bekannt hat.» «Ja.»
Der Anwalt zögerte, er schnaufte und ächzte, und es klang, als sei er dabei, sich sein Jackett anzuziehen.
«Das muss doch inzwischen verjährt sein», sagte er. «Der Polizist ist ja tot, und Mike würde die Sache nie …»
Annika wartete schweigend.
«David Lindholm hat damals das Verhör mit Mike geführt», sagte Mats Lennström.
«Mike gab alles zu, was ihm zur Last gelegt wurde, und noch einiges mehr. Den Raubüberfall in Botkyrka, zum Beispiel.»
Er verstummte.
«Aber?», hakte Annika nach.
«Nachdem das Urteil vom Oberlandesgericht bestätigt und damit rechtskräftig geworden war, kam Mike natürlich zunächst in die Landesvollzugsanstalt Kumla – wie alle, die mehr als vier Jahre bekommen haben. Nach der Auswertung wurde er nach Tidaholm geschickt, und vermutlich ist ihm erst da richtig bewusst geworden, dass man ihn regelrecht über den Tisch gezogen hatte.»
«Über den Tisch gezogen?»
«Ja, ich hätte da besser aufpassen müssen. Mike Stevens und David Lindholm hatten eine Vereinbarung getroffen, die beinhaltete, dass Mike eine kürzere Strafe im Gefängnis Ljustadalen außerhalb von Sundsvall absitzen sollte, seine Frau arbeitete nämlich in der Reitschule gleich nebenan. Aber natürlich war nichts von dem, was Lindholm verspro chen hatte, juristisch bindend. Ich hätte das wissen müssen.»
Annika setzte sich unwillkürlich aufrecht hin.
«Wollen Sie damit sagen, Sie wussten nicht, was juristisch bindend war? Haben Sie es nicht nachgeprüft, wenn Sie unsicher waren?»
«Man verlässt sich doch auf die Polizei», sagte er. «Besonders, wenn man mit einer so bekannten Person wie David Lindholm zu tun hat.»
Du lieber Himmel, was für ein Blödmann von Jurist! Kein Wunder, dass man ihn zu Julias Pflichtverteidiger berief, wenn man sie verurteilt sehen wollte.
«Was war das für ein Unfall, der passiert ist?»
«Mike ist in der Dusche ausgerutscht und auf eine scharfe Kante gefallen.»
Annika musste sich beherrschen, um nicht laut loszuprusten.
«Es waren Stichwunden», sagte sie. «Stevens hatte gesungen, deshalb wurden fünf Männer für den Raubüberfall in Botkyrka eingebuchtet, und die fanden das nicht besonders lustig. Sie hatten Kumpel in Tidaholm, und die haben ihre Zahnbürsten oder Frühstücksmesser geschliffen und ihn in der Dusche angegriffen.»
«Das ist pure Spekulation Ihrerseits.»
«Verraten Sie mir eins», sagte Annika. «Was hat Stevens unternommen, um sich zu rächen? Hat er sich an der Botkyrka-Bande gerächt, oder vielleicht an David? Oder an Davids Frau? Oder seinem Sohn?»
«Sie müssen entschuldigen, aber ich habe sehr viel zu tun», sagte Lennström und legte auf.
Annika starrte eine volle Minute in die Luft.
Den Geldtransport-Überfall von Botkyrka aufzuklären war keine Heldentat gewesen.
Im Gegenteil. David nutzte seine Bekanntheit aus, um Vertrauen einzuflößen, und dann ließ er den anderen buchstäblich ins Messer laufen.
Was für ein Arschloch!
Sie nahm sich den zweiten Mann auf der Liste vor, Ahmed Muhammed Svensson, und ging das Urteil vom Amtsgericht Malmö
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