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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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fest.
    »Ich such’n bißchen Musik.«
    »Ich möchte das aber zu Ende hören.«
    »Warum, um Himmels willen? Es ist doch grauenvoll.«
    »Ich halte es für wichtig, über diese Dinge Bescheid zu wissen.«
    »Worüber denn nur? Etwa darüber, daß auf dieser Erde eine Menge kranker Menschen herumlaufen? Ich dachte, einer der Gründe für diese Reise sei unser Wunsch, genau das zu vergessen.« Er schüttelte Gails Hand ab und suchte einen anderen Kanal.
    Sie hörten das Ende eines Liedes über unerwiderte Liebe, und dann meldete sich auch hier ein Nachrichtensprecher. Eine vierköpfige Familie, begann er, doch Jack brachte ihn mit einem ärgerlichen Knopfdruck zum Schweigen.
    »Es ist überall«, sagte Gail leise und schloß die Augen vor dem satten Grün des wohlgepflegten Rasens und der ordentlich gestutzten Bäume, hinter denen gelb und pinkfarben die Vorstadthäuser hervorblitzten. Die Bilderbuchwelt von Palm Beach, dachte sie und erinnerte sich, daß es selbst in Märchen von bösen Hexen und häßlichen Ungeheuern wimmelte.
    »Wir sind da«, sagte Jack, als sie die Augen öffnete und sich verwundert umblickte. »Du bist eingeschlafen.« Sie schaute aus
dem Seitenfenster auf das sechsstöckige weiße Gebäude, das dekorativ von Palmen umrahmt war. »Willkommen im Eden Rock«, rief er und sprang aus dem Wagen. »Die Luft riecht wunderbar!« Das sagte er immer. Jedesmal, wenn sie nach Florida kamen, jedesmal, wenn sie vor dem Haus hielten, in dem ihre Eltern eine Eigentumswohnung besaßen, jedesmal, wenn er den Fuß auf den Boden setzte und an dem luxuriösen Gebäude emporblickte, sagte er denselben Satz: »Die Luft riecht wunderbar.« Gail lächelte vor sich hin, als sie ausstieg.
    Der Portier empfing sie am Eingang und verständigte über die Sprechanlage Gails Eltern, die im vierten Stock wohnten, mit Blick aufs Meer. Dann sprach Jack mit ihrem Vater, während Gail sich in der Halle umsah. Nichts hatte sich verändert.
    Das war so schön an Florida, dachte Gail, daß sich nie etwas veränderte. Es kam ihr vor wie eine von diesen Kitschserien im Fernsehen, wo man ein, vielleicht sogar zwei Jahre überspringen konnte, und wenn man sich dann wieder einschaltete, war es, als habe man keine Folge verpaßt.
    Sandfarbene Marmorfliesen bedeckten den Fußboden in der Halle des Eden Rock. Teppich und Sitzgruppe waren im gleichen Ton gehalten, nur aufgelockert durch die weinroten Tupfen auf den Sofas. Sehr geschmackvoll. Nichts, woran man auch nur die geringste Kritik hätte üben können. Aber wie in den meisten Nobelherbergen hier unten, so fanden auch im Eden Rock die Bewohner mehr als genug, woran sie Anstoß nehmen konnten, was sie denn auch nach Kräften taten.
    Vor allem gegen Kinder schienen sie eine Menge Vorbehalte zu haben. Da die Mehrzahl der Bewohner im Pensionsalter waren und sich nur noch um die eigenen Wehwehchen zu kümmern hatten, entwickelten sie skurrile Schrullen und spielten selbst die kleinsten Unannehmlichkeiten zum Drama hoch. Sie verabscheuten Krach und laute Musik, womit sich zwangsläufig eine starke Aversion gegen Teenager verband. Sie haßten unerwartetes Kreischen wie überhaupt alles Unerwartete, und da kleine
Kinder sich nur selten nach den geordneten Spielregeln der Erwachsenen verhalten, machten Kinder sie nervös. Sie hatten eine Heidenangst davor, daß ein Kind etwas Unschickliches im Swimming-pool zurücklassen könne, und untersuchten das Wasser ständig nach Verunreinigungen. Gail hatte einige ältere Herren darauf aufmerksam gemacht, daß sie von alten Blasen doch wohl mehr zu befürchten hätten als von jungen, eine Bemerkung, die sich in Windeseile in der Anlage verbreitete und Gails Mutter an ihrem nächsten Bridge-Nachmittag in arge Verlegenheit brachte.
    Jedesmal, wenn Gail mit ihrer Familie zu Besuch kam, fanden sie neue Bestimmungen vor.
    Als Gails Eltern hier einzogen, war das Eden Rock brandneu, und es gab noch keinerlei Vorschriften. Doch schon im nächsten Jahr waren überall Verbotstafeln aufgestellt: Essen und Trinken am Swimming-pool untersagt; Rennen und ins Becken Springen nicht erlaubt; der Pool ist kein Spielplatz; Kindern unter vier Jahren ist das Schwimmen verboten; Luftmatratzen im Wasser nicht gestattet; Duschen vor Benutzung des Pools Pflicht; nach Strandspaziergängen Füße reinigen; die Liegestühle am Pool dürfen nicht reserviert werden. Als Gail sich durch den Schilderwald gearbeitet hatte, meinte sie lakonisch: »Warum stellen sie nicht einfach ein

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