Lebenslang Ist Nicht Genug
schüttelte wieder den kopf. »Ich hab’ fast den ganzen Morgen telefoniert.«
»Oh.« Gail war völlig überrascht. »Ich hab’ dich gar nicht gehört.«
»Ich hab’ mit Eddie gesprochen.« Jennifer setzte das Glas ab, ohne auch nur einen Schluck getrunken zu haben.
»Wie geht’s ihm?« fragte Gail ehrlich besorgt. »Ich werde ihn nachher anrufen und um Entschuldigung bitten.«
»Ich glaube nicht, daß er das möchte.«
»Aber das ist doch das mindeste, was ich tun kann.«
»Bitte, Mom, mach’s nicht noch schlimmer, als es sowieso schon ist.«
»Na schön, wenn du’s nicht möchtest, werde ich ihn nicht anrufen. Du kannst ihm ja von mir bestellen, wie leid es mir tut, daß ich gestern abend so häßlich zu ihm war.«
Jennifer sah ihre Mutter an. »Ich werde nicht mehr mit ihm sprechen«, sagte sie langsam. Tränen traten ihr in die Augen. »Er meint, es sei besser, wenn wir uns eine Weile nicht träfen.« Ihre Stimme klang verzweifelt, so als könne sie es nicht fassen.
»O Spätzchen, es tut mir ja so leid für dich...«
»Es tut dir leid? Wie kannst du das sagen? Jetzt hast du doch erreicht, was du wolltest, oder etwa nicht? Du wolltest doch, daß wir Schluß machen. Monatelang hast du mich bekniet. Tja, nun hast du’s endlich geschafft. Du hast dein Ziel erreicht, also wage ja nicht, mir vorzumachen, es täte dir leid. Denn das stimmt nicht. Du freust dich drüber!«
»Nein, mein Liebes, ganz bestimmt nicht. Bitte, laß mich zu ihm gehen. Ich bin sicher, wenn ich mit ihm rede und ihm alles erkläre...«
»Nein«, sagte Jennifer entschieden. »Ich will nicht, daß du hingehst. Er hat gesagt, er sei die ganze Nacht auf gewesen, weil er schreckliche Magenkrämpfe hatte. Er habe alles mit seinen Eltern besprochen, und sie hielten es so für das Beste.« Eine Weile schwiegen beide, dann fuhr Jennifer fort: »Da ist noch was, worüber ich mit dir reden muß.«
»Was denn?«
»Gleich nachdem ich mit Eddie gesprochen hatte, hab’ ich Dad angerufen.«
»Und?« Gail war zumute, als werde sich jeden Moment die Erde vor ihr auftun.
Jennifer holte tief Luft und platzte dann mit ihrem Geständnis heraus: »Ich möchte zu ihm ziehen.« Gail spürte, wie ihr schwindlig wurde, und sie griff haltsuchend nach der Stuhllehne. »Dad sagt, wenn ich es wirklich will, dann sind er und Julie einverstanden. Platz haben sie, und ihnen ist’s recht. Julie könnte sowieso ein bißchen Hilfe brauchen, und wenn erst das Baby da ist, kann ich mich wirklich nützlich machen.«
»Wovon sprichst du?« fragte Gail.
»Ich ziehe zu Julie und Dad«, wiederholte Jennifer.
»Aber warum? Bloß weil ein Junge sagt, daß er sich nicht mehr mit dir treffen will?«
»Nein, nicht nur deswegen. Es spielen’ne Menge Dinge mit, nicht bloß das mit Eddie oder der Krach gestern abend.«
»So was wird nicht wieder vorkommen, Spätzlein, ich verspreche es dir.«
»Mom, du verstehst mich nicht. Es ist nicht nur wegen gestern nacht. Sicher, das gehört dazu, es war sozusagen der Auslöser, aber früher oder später wär’s sowieso passiert. Mom, ich komm’ mir vor wie im Gefängnis. Ich kann hier nicht atmen. Ich brauche ein bißchen Platz für mich.«
»Ich werde dir Platz geben, bestimmt.«
»Du kannst es nicht, Mom. Du schaffst es nicht.«
Gail ließ sich auf den Stuhl fallen. »Wann willst du ausziehen?« Ihre Stimme brach.
»Dad wird gleich hier sein.« Wie schnell sich alles entwickelt, dachte Gail bestürzt. »Gepackt hab’ ich schon«, erklärte Jennifer.
»Du hast wirklich keine Zeit verloren«, sagte Gail und setzte hastig hinzu: »Entschuldige den Sarkasmus, ich hab’s nicht so gemeint.«
»Ist schon gut.« Jennifer nahm das Glas vom Tisch und stürzte den Orangensaft in einem Zug hinunter.
Als Mark zwanzig Minuten später kam, um Jennifer abzuholen, empfing Jack ihn im Wohnzimmer.
»Tag, Jack«, hörte Gail ihren Exmann sagen. Falls ihm die Situation peinlich war, merkte man das zumindest seiner Stimme nicht an. Welche Ironie, dachte Gail. Jetzt würde Mark zwei Kinder bekommen, während sie keines mehr hatte.
»Jennifer schaut nur noch mal nach, ob sie nichts vergessen hat«, sagte Jack, als Gail ins Zimmer trat. »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, was hier vorgeht«, fuhr er fort. »Ich bin erst vor zehn Minuten zurückgekommen. Gail sagte mir, Jennifer möchte für eine Weile bei dir und Julie wohnen?«
»Es war nicht meine Idee«, sagte Mark mehr zu Gail als zu ihrem Mann.
»Von dir geht doch nie
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