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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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dem Regal ab, in dem Jack Stadtpläne und Karten aufbewahrte. Als sie es gefunden hatte, zog sie die Straßenkarten von New Jersey heraus und nahm sie mit in die Küche. Sie faltete den Stadtplan von Newark auseinander und suchte den Raymond Boulevard. Auf dieser Straße hatte ein blonder junger Mann eine alte Frau zu Tode geprügelt.
    Sie nahm die Zeitung zur Hand und blätterte um. Zwei Verletzte waren die Opfer eines Einbruchs in der Broad Street. Gail suchte die Straße auf dem Stadtplan. James Rutherford, neunzehn Jahre alt, ohne festen Wohnsitz, wurde des Verbrechens beschuldigt, war aber auf Kaution freigekommen.
    Gail las die Zeitung von der ersten bis zur letzten Seite, von der ersten Schlagzeile bis zur letzten Reklame. Über den Polizeiberichten brütete sie wie ein Detektiv. Sie markierte auf der Karte jeden Ort, an dem ein Verbrechen stattgefunden hatte, und prägte sich die Beschreibung des Täters sorgfältig ein.
    Auf Kinder waren im letzten Monat keine weiteren Anschläge verübt worden. Über den Mord an Cindy stand nichts mehr in der Zeitung. Für die Öffentlichkeit hatte ein kleines Mädchen namens Cindy Walton nur so lange existiert, wie die Medien über sie berichteten, und selbst dann hatte sie nur in schwarzen Buchstaben und lächelnden Fotos gelebt. Die Leser würden gewiß heute noch einräumen, daß dieses kleine Mädchen ein tragisches Schicksal erlitten hatte, aber die Nachricht war Schnee von gestern.
Es wurde zur täglichen Routine.
    Sobald sie morgens allein war, nahm Gail sich den Stadtplan vor und suchte die Orte heraus, die sie in einschlägigen Zeitungsmeldungen angestrichen hatte. Schon nach ein paar Tagen zeichnete sich eine gewisse Struktur ab: Manche Gegenden wiesen wesentlich zahlreichere Markierungen auf als andere. Besonders Schwerverbrechen ließen sich auf bestimmte Bezirke lokalisieren.
    »Was machst du da?« fragte Carol, als sie Gail eines Morgens überraschte.
    Gail faltete eilig den Stadtplan zusammen und legte die Zeitung beiseite. »Hier in Newark entsteht eine neue Siedlung von Eigentumswohnungen. Ich hab’ nur mal nachgesehen, wo genau das ist.«
    Gail spürte, wie sie errötete.
    »Ist noch Kaffee da?« Carol akzeptierte die Lüge ohne weiteres.
    Gail goß ihr eine Tasse ein.
    »Hat Mom angerufen?«
    »Ja, hat sie«, antwortete Gail. »Jack übrigens auch. Der kleine Pudel, um den er sich soviel Sorgen machte, ist wieder auf dem Damm. Aber ein relativ gesunder Dalmatiner, an dem er irgend’nen harmlosen Eingriff vornehmen mußte, ist in der Narkose gestorben.«
    »War Jack sehr geknickt?«
    »Klang eigentlich nicht so«, überlegte Gail laut. »Wahrscheinlich hat der Pudel ihn drüber weg getröstet.« Nach einer Pause sagte sie: »Die Polizei hat angerufen.«
    »Und?«
    »Diese Spur, die sie verfolgten - es war falscher Alarm. Ich meine den Typ in East Orange. Es hat sich rausgestellt, daß er an dem Tag, an dem Cindy ermordet wurde, im Gefängnis saß.« Gail seufzte tief.
    »Du weißt doch, daß ich heute nachmittag nach New York
fahre«, sagte Carol nach einer Weile. »Ich muß zum Vorsingen für Michael Bennetts neues Musical. Möchtest du mich nicht begleiten?« Gail schüttelte den Kopf. »Ich lass’ dich aber nur ungern allein.«
    »Ich bin doch nicht allein. Jennifer wird zu Hause sein. Sie hat doch jetzt so viel zu lernen.«
    »Ich werd’ nicht lange wegbleiben.«
    »Mach dir keine Gedanken, du kannst unbesorgt fahren.«
    »Zum Abendessen bin ich zurück.«
    »Ich werde damit auf dich warten.« Gail lächelte.
    »Bist du auch sicher, daß du nicht mitkommen möchtest?« fragte Carol noch einmal, ehe sie das Haus verließ.
    »Ich bleibe gern hier, wirklich«, versicherte Gail. Sie zog sich ins Arbeitszimmer zurück und schaltete den neuen Fernseher ein, den Jack angeschafft hatte, nachdem das alte Gerät gestohlen worden war.
    Mit der Fernbedienung wählte sie rasch einen Kanal nach dem anderen. Draußen fuhr Carols Wagen an. Gail versuchte sich auf ein Programm zu konzentrieren, aber die hanebüchenen Probleme der Familienserien langweilten sie, und von der Hysterie der Ratespiele fühlte sie sich abgestoßen. Sie wechselte von einem Sender zum anderen, bis plötzlich eine wohlbekannte Musik ertönte und Ernie und Bert aus der »Sesamstraße« über den Bildschirm tollten.
    Wie gebannt sah Gail fast eine Stunde lang zu. Sie stellte sich vor, ihre kleine Tochter säße neben ihr, legte den Arm um ihre Schulter und lachte an den Stellen, an denen

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