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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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einmal kreideweiß.
    »Gail, bitte!« Carol setzte sich neben sie. »Komm, beruhige dich! Jennifer fehlt nichts. Sie hat sich nur ein bißchen verspätet, das ist alles. Jetzt entspann dich; ich bring’ dir was zu trinken.«
    Aber Gail schien sie gar nicht gehört zu haben. »Da draußen laufen’ne Menge Verrückte frei rum. So ein Wahnsinniger könnte doch auf die Idee kommen, nachdem er eine Schwester umgebracht hat, sei nun die andere an der Reihe...«
    »Gail...«
    »Oder ein Ungeheuer hat gelesen, was mit Cindy geschehen ist, und macht sich nun den Spaß, ihre große Schwester zu jagen...« Gail sprang auf und lief aus dem Zimmer.
    »Gail, so warte doch! Wo willst du denn hin?« Gail öffnete die Haustür und trat hinaus in den Garten. »Komm zurück, ich bitte dich! Hör zu, ich versichere dir, daß Jennifer nicht in Gefahr ist!«
    »Ich geh’ sie suchen.«
    »Ja, aber wo denn?«
    Zu spät. Gail war schon auf der Straße. Sie hörte hinter sich eine Tür zuschlagen, und gleich darauf rannte ihre Schwester atemlos neben ihr her.
    »O mein Gott, o mein Gott!« stöhnte Gail immer wieder.
    »Gail, ich flehe dich an, beruhige dich doch! Du darfst dich nicht jedesmal so quälen, nur weil Jennifer sich ein bißchen verspätet. Weißt du überhaupt, wo du hinwillst?«
    Gail antwortete nicht. An der nächsten Ecke bog sie in die Mc-Clellan Avenue ein. Auch Carol verstummte. Sie mußte sich gewaltig anstrengen, um mit ihrer Schwester mitzuhalten. Ungeachtet
ihres Schweigens war Gail dankbar dafür, Carol neben sich zu wissen. Sie bog noch ein zweites und ein drittes Mal ab. Endlich stand sie vor dem roten Ziegelhaus. Entschlossen lief sie die Stufen zum Eingang hinauf und hämmerte mit der Faust gegen die Tür.
    »Wo sind wir denn hier?« fragte Carol.
    »Vielleicht ist sie bei Eddie«, gab Gail statt einer Antwort zurück. Sie klopfte laut und ungestüm, aber im Haus rührte sich nichts. Trotzdem trommelte Gail fieberhaft weiter gegen die Tür. »Es ist niemand zu Hause«, sagte Carol nach einer Weile. »Gail!« Sie nahm ihre Schwester beim Arm. »So hör doch, es ist sinnlos.«
    Gail blickte sich ein paar Minuten lang hilflos um, dann rannte sie, ohne ein Wort zu sagen, wieder hinaus auf die Straße.
    »Wo willst du denn jetzt hin?« rief Carol, die verzweifelt versuchte, mit ihr Schritt zu halten.
    Sie kamen an einem kleinen Laden vorbei, über dessen Schaufenster zu lesen stand: »Nichts ist unmöglich.« Das Geschäft war kürzlich in Konkurs gegangen. Alles ist möglich, dachte Gail im Vorübergehen und beschleunigte ihre Schritte. Bald erreichten sie Jennifers Schule. Aber schon als sie über den Hof gingen, wußte Gail, daß die Türen verschlossen waren. Das Gelände lag da wie ausgestorben.
    Gail wandte sich um und lief zu ein paar Jugendlichen, die draußen auf der Straße standen und rauchten. »Hat einer von euch Jennifer Walton gesehen?« fragte sie atemlos.
    Die drei, zwei Mädchen und ein Junge, blickten Gail verwundert an. Die Aufregung in ihrer Stimme erschreckte sie. Schweigend schüttelten sie den Kopf.
    »Seid ihr auch ganz sicher?«
    »Also ich kenn’ gar keine Jennifer Walton«, sagte der Junge.
    Gail dachte: Er ist schlank, und sein hellbraunes Haar könnte für aschblond durchgehen.

    »Gail! Nun komm schon. Du hast doch gehört, sie kennen Jennifer nicht«, drängte Carol.
    Gail machte auf dem Absatz kehrt. Sie bog um eine Ecke, dann um eine zweite und lief so lange kreuz und quer durch die Gegend, bis sie die Orientierung verlor. Aber dann stand sie plötzlich vor dem kleinen Park, sah das Gebüsch und die frischgestrichene grüne Bank vor sich.
    »Ist das die Stelle, wo...?« Carol brach ab.
    Gail antwortete nicht. Ihr Blick war wie gebannt auf den Fleck Erde hinter der Bank gerichtet.
    »Komm, laß uns heimgehen«, bat Carol.
    »Du brauchst dich nicht zu fürchten.« Gails Stimme klang auf einmal unheimlich ruhig.
    »Ich fürchte mich ja auch nicht. Ich halte es bloß für keine gute Idee, hierherzukommen.«
    »Es ist so still hier.« Gail schien den Lärm nicht zu hören, den ein paar ballspielende Kinder veranstalteten. Sie setzte sich auf die Bank. »Vor ein paar Tagen, als du in New York warst, bin ich schon mal hiergewesen. Ich hab’ den ganzen Nachmittag auf dieser Bank gesessen.«
    Carol sah sie entsetzt an. »Aber warum , um Himmels willen?«
    »An dem Tag haben keine Kinder hier gespielt«, fuhr Gail fort, ohne Carols Frage zu beachten. »Wahrscheinlich hatten ihre Mütter

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