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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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halten. Ihr habt euer eigenes Leben. Außerdem wart ihr fast einen ganzen Monat hier.«
    »Wir hätten ruhig noch’nen Monat bleiben können.«
    »Mir geht’s gut, Mom. Glaub mir.«
    »Hast du geweint?« Diese Frage stellte ihre Mutter ihr seit drei Tagen.
    Gail war drauf und dran zu schwindeln, doch dann fiel ihr ein, daß sie ihre Mutter noch nie hatte täuschen können.
    »Nein.«
    Einen Moment lang herrschte Stille in der Leitung. »Was Neues von der Polizei?«
    »Seit gestern abend nicht, nein.«
    »Laß mich mal kurz mit Carol sprechen.«
    Gail übergab den Hörer ihrer Schwester und versuchte nicht auf das zu hören, was Carol sagte. Nur widerwillig waren ihre Eltern vor drei Tagen nach Palm Beach geflogen, nachdem Gail ihnen immer aufs neue eingeredet hatte, es sei besser für alle Beteiligten, wenigstens dem äußeren Anschein nach wieder zum Alltag zurückzukehren. »Ihr müßt euer eigenes Leben führen«, hatte sie gesagt. Ihre Eltern waren erst einverstanden gewesen, als Carol versprochen hatte, noch ein paar Wochen bei ihrer Schwester zu bleiben. Und nun riefen sie zweimal täglich an und erkundigten sich nach ihr.

    Aus irgendeinem Grund waren sie der Meinung, Gail werde erst dann über den Berg sein, wenn sie einen Zusammenbruch erlitten und sich ausgeweint habe. Aber Gail hatte seit dem Tag des Unglücks keine Träne vergossen. Gern hätte sie ihren Eltern den Gefallen getan und sie beruhigt, doch ihre Augen widersetzten sich hartnäckig und blieben trocken.
    Gail betrachtete ihre jüngere Schwester. Die Leute behaupteten, sie sähen sich ähnlich. Beide waren groß, schlank und blaß, und beide bewegten sich mit charmanter Lässigkeit. Carol zündete sich eine Zigarette an, und als sie den Rauch einzog, sah Gail, wie hohl ihre Wangen waren. Sie wiegt bestimmt zehn Pfund weniger als ich, dachte Gail und schätzte mit den Blicken die Figur ihrer Schwester ab. Ihre Hüften und ihre Taille waren immer noch mädchenhaft schmal; man sah ihr an, daß sie noch keine Schwangerschaft hinter sich hatte. Unwillkürlich betastete Gail ihren Bauch, während Carol über eine Bemerkung ihrer Mutter lachte. Es war ein angenehmes, leises Lachen, das Wärme verbreitete und zum Mitlachen einlud, ohne aufdringlich zu erscheinen. Es ist schön, sie bei mir zu haben, dachte Gail.
    »Spricht Jennifer eigentlich mit dir über Cindy?« fragte sie, als Carol aufgelegt hatte.
    Carol schüttelte den Kopf. »Nein. Sie schläft übrigens zur Zeit sehr unruhig. Heute nacht hat sie sich dauernd rumgewälzt. Sie ist fast jeden Morgen um sechs Uhr wach. Wenn ich zu ihr rüberschaue, sitzt sie reglos auf der Bettkante und starrt ins Leere. Einmal hab’ ich sie gefragt, ob sie gern über das, was geschehen ist, reden möchte, aber sie hat nein gesagt, und ich wollte sie nicht drängen.«
    »Hoffentlich kommt sie mit den Prüfungen zurecht«, sagte Gail, um das Thema zu wechseln.
    »Das schafft sie schon, mach dir nur keine Sorgen.« Carol legte den Arm um ihre ältere Schwester. »Bist du mir böse, wenn ich mich noch mal hinlege? Ich hab’ letzte Nacht auch nicht viel geschlafen.«

    »Aber nein, geh nur.«
    Als Lieutenant Cole eine halbe Stunde später anrief, war Gail allein in der Küche.
    »Wir prüfen’ne Spur in East Orange«, sagte er. »Gestern abend haben wir’ne Meldung reingekriegt.’n Typ da ist anscheinend in letzter Zeit durch seltsames Benehmen aufgefallen.«
    »Was ist denn das für eine Meldung? Und was meinen Sie mit >seltsam    »Wahrscheinlich steckt nichts dahinter«, dämpfte der Kommissar ihre Erregung. »Einer unserer Informanten hat,’nen Rumtreiber entdeckt.’nen jungen Mann, der dauernd von dem Mord erzählt, nichts Genaues, nur das übliche Gerede. Was so in den Zeitungen stand. Aber wir schicken jemanden hin, um die Sache zu überprüfen, für alle Fälle.«
    »Was heißt das, Sie >schicken jemanden hin    »Für eine Durchsuchung brauchten wir schon etwas handfestere Gründe als nur diese Verdachtsmomente. Schließlich können wir niemanden wie’nen Kriminellen behandeln, bloß weil er sich für einen kürzlich begangenen Mord interessiert.«
    »Und was werden Sie jetzt tun?«
    »Wir schleusen einen Spitzel ein.«
    »Einen Spitzel?« Gail erinnerte sich, daß er das Wort bereits auf dem Friedhof gebraucht hatte. »Meinen Sie so wie

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