Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
Alles ist da, Frau Schmidt.
    Dann fahren wir jetzt, sagte ich, und sachte schloß ich die Türen, und zu Frau Schmidt sagte ich dann: Wir wollen den Siegfried nicht länger warten lassen.
    Ihre Antwort war schnell, und den Blick dazu, den mochte ich nicht.
    Der läßt mich doch auch, sprach das Mütterlein Schmidt, und den Blick hatte ich vor kurzem in einer Ackerstadt gesehen. In der Kneipe, beim Bier, von einem Manne, der Bericht mir gab, wie er Maulwürfe fängt. Es war ein geklügeltes System, ich weiß nur das Ende, das ging mit Schwung und einem silbernen Löffel.
    Silbern, pfiff der Fänger mir zu, er verwende Silbernes und nichts aus Plast. Sein Nachbar hingegen, auch der geplagt von der gleichen Plage, benutze zur Jagd einen Löffel aus Plast. Erfolglos natürlich, und dann kam der Blick.
    Hat ein Gras getreten und glaubt, er habe einen Wald gefällt. Hackt sich den Fuß ab, wenn er was zum Werfen braucht.
    Flink bist du, dachte ich von mir in meinem Auto, weißt drei Sätze von einem und gießt dein Siegel auf das Urteil. Das ist eine Greisin, vor der bist du grün, reib nicht an ihr deine Ungeduld ab, bring sie zum anderen Schlagbaum, dahinter weiß ich dir welche, die für deinen Zorn im richtigen Alter sind.
    Langsam, langsamer noch fuhr ich an, schlich vorbei am Spalier der winkenden Organe, und als ich die Fahrt in die zweite Stufe heben wollte, da sagte die alte Mutter Schmidt zu mir: Werst woll nich so sausen, Siegfried!
    Der erste Gang meines Automobils ist nur gemacht, die Masse aus der Beharrung zu bringen; er eint zum Kompromiß Stillstand und Bewegung, eine reformistische Übersetzung ist der nur. Wenig Bodengewinn bei Lärm und Überhitzung. Zuviel Verbrauch, zuviel Verschleiß und dürftige Resultate.
    Muß weiteres beigebracht werden zum Charakter dieser Wirkungsart des Schaltgetriebes? Brauch ich Schwur und Notar, die Überzeugung zu verbreiten: Mir gefällt er nicht, der Schneckengang. Dennoch zog ich die Hand vom Schalter, tat es doch nicht schnell genug, denn Frau Schmidt gab ihrer Mahnung zwingendere Form: Daß du mir nur nich sausen mechtest, Siegfried!
    Heulend zogen wir, Motor und ich, unsere Straße; im faulen Wind neben uns liefen zwei Ahornblätter voraus, in unseren Nacken brüllte ein Sattelschlepper, vielleicht war der eilig, doch ich las, mit Zeit versehen, das Schild, das mählich am Wegrand aufwuchs. Achtung, Steinschlag! sagte es, und für Anderssprachige zeigte es steilen Berghang und Felsbrocken in freiem Fall, und für meine Gedanken zum Bilde gehörte ich vor Gericht.
    So gewannen wir vierzig Meter, während deren zweiterHälfte Frau Schmidt ein Liedchen begann, das auch laxeren Leuten als nicht recht züchtig gegolten hätte; ein Tambour trat auf, mit dickem Knüppel, und eine Bedienstete, die sich so gerne von ihm rühren ließ.
    Frau Schmidt sang deutlicher, als sie sprach; die R-Laute gab sie mit dem verschliffenen Rollen der alten Couplets, und an den verwegenen Stellen warf sie mir Blicke. Meine Frage gehörte dahin, irgend etwas gehörte an die Stelle ihres Vortrags, da konnte es auch die Frage sein: Wie alt sind Sie denn, Frau Schmidt? Zweiundneunzig, sagte sie und sang dann weiter von den Künsten des Tambours.
    Ich hab einen Lehrer gesehen bei einem Elternabend, auf der Bühne stand er ganz allein, an die fünfzig war er, griff einer Klampfe an den Bauch und krähte dazu: Hurra, ich bin ein Schulkind!
    Einen kenn ich, nicht eben ein Dichter, der hält die Trauerreden auf alle verstorbenen Dichter.
    Das große Wort Frieden paßt gerade in die größten Mäuler nicht. Ein Gesetz von der Harmonie zwischen Inhalt und Form hat man gefunden; es muß auch eines geben zu Werk und Interpret, es muß auch eins geben über angemessenes Verhalten.
    Ich fand Frau Schmidts Verhalten unangemessen, sie zweiundneunzig Jahre grau, wir im ersten Gang in einem Auto voll Äpfel und Waschgestell, steinschlagbedroht wir an der Grenze zwischen Abendland und Morgenland.
    Warum siedeln Sie denn über, Frau Schmidt, warum ziehen Sie um? Sie besang noch erst ein besonders dickes Ding von dem Tambour, dann stieß sie mir ins Ohr: Mechst mir immer noch nich wolln, Siegfried?
    Bin ich doch ein treffsicherer Frager; hab den Stein angehobenzwischen morscher Scheune und nasser Wiese; da ist es schon gleich: Ich hau den zweiten Gang hinein.
    Sie merkte Aufstand, schien einen Weg zu suchen, ihn niederzuschlagen, fand ihn: Hast das Bild von Marga ihrn Großen mit, Siegfried?
    Die Bilder sind im

Weitere Kostenlose Bücher