Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
erklären Sie, diskutieren Sie, signieren Sie, lassen S’ sich anschaun, Herr!
    Ich lasse mich und höre, das ist Ruhmsucht. Zur Ruhmsucht habe ich mich bekannt, indem ich zu schreiben begann.
    Einer weiß, Fernweh treibe mich. Wenn ich zwei Tage ohne Pflichten habe zwischen Rhein und Neckar, jage ich meiner Baumhöhle zu am Alexanderplatz; zwei mindernde Grenzübertritte mehr, doch heimwärts einer.
    In einem vergreisten Roman, der jüngst erschienen ist, las ich, wes Geschriebenes am Rhein erscheine, der stimme nicht. Wie unstimmig mag erst einer sein, der am Rheine auch noch das Maul aufmacht, höchstpersönlich am Orte dort befindlich.
    So ist mir, wenn sie von Handzeichen zu Handzeichen meinen zeitweisen Abgang behandeln, grau ist mir, und ich altere sehr.
    So war mir, als ich letzthin wartend an der Werra stand,rückwärts die Wartburg im Nebel, vor mir ein Ort namens Kassel viel neblichter noch. Ist Tannhäuser auch um diese Ecke? fragte ich mich, denn eben war ich über ein Flüßchen gekommen, das Hörsel hieß, und ich wiegte mich auf einem Gedanken, der ging: Ich fahr in einen Sängerkrieg.
    Da kamen dreie, mich auf andere Gedanken zu bringen, einer in Grenzgrün, einer in Zollblau, einer in Gesundheitsweiß.
    Sonst geht es zwiefarbig zu, wenn ich die Grenze überschreite, an Grün und Blau vorbei vollzieht sich gewöhnlich der Übergang; warum also heute die Trikolore? Was ist an mir, daß sich die Sanität bemüht? Und warum kommen mir, dem doch schon Kontrollierten, Grenzer und Zöllner noch einmal und haben dabei je zweimal zwei Sterne mehr auf dem Buckel?
    Dreifache Hoheit umkreiste mich und mein Auto, bemühte sich um Blicke auf mich en face und im Profil, maß, wie mir schien, den Platz aus neben mir und dem Steuer, maß auch die Weite des Fonds und die Größe des Kofferraums, schien sich um den Luftdruck meiner Reifen zu sorgen und äugte, kaum blieb es mir verborgen, hinunter nach dem Federstand.
    Was, zum Teufel, ist los, Genossen? Hat man euch den ganz heißen Tip gegeben: Ein Haschmensch will durch!? Sah die Kollegin vorhin ein Flackern der Cholera in meiner Iris? Fahndet wer nach meinem Wägelchen? Wollt ihr die Karre kaufen?
    Endlich Beratung und grünblauweiße Übereinstimmung, angezeigt durch dreifaches Kopfnicken; der Grenzer soll den Sprecher machen, er kommt.
    Sie fahren nach drüben?
    Diese Fragen mag ich: Einer schießt kopflings die Treppe hinab, sechzehn Stufen, unten splittern Dielen und Knochen, und dann die Erkundigung: Sind Sie gefallen?
    Einer ließ einen Fuß in fremdem Frost, eine Hand im eigenen Mörserverschluß, eine Liebe in einem zerpreßten Keller, da soll er noch sagen, ob gegen den Krieg er denn sei.
    Nach Schaltermeilen vorm letzten Grenzpfahl: Sie fahren nach drüben?
    Ja, mach ich, wart nur noch auf mein Handzeichen.
    Würden Sie jemanden mitnehmen, die paar hundert Meter zur anderen Schranke?
    Wen?
    Alte Dame, siedelt über, Neffe wollte kommen, kam aber drei Stunden nicht, wartet dahinten.
    Her mit der alten Dame!
    Da kam aber erst der alten Dame Zubehör, und mit ihm wurde offenbar, warum das Interesse an meinen Laderäumen. Zu meinem Koffer drei fremde Koffer und eine Kiste, die nach Äpfeln roch. Und drei Schachteln mit Schnurlänge, genug für je eine Segelyacht. Und vier Schirme in einem Bündel. Und im getischlerten Gestell verpackte Bilder oder Spiegel. Und sechs Plastebeutel, verschieden schwer, prall gestopft aber alle. Und Töpfe in Töpfen und die in einer Schüssel. Und, bei meinem Leben, ein Waschgestell, eins aus Urferne und Unterarmut, grün und sperrig, nichts geht mehr.
    Jetzt die alte Dame, rief der Viersternegrenzer, und ein Wagen, weiß mit rotem Kreuz, kehrte seinen Ausstieg gegen meinen Einstieg. Meine Zöllnerin, die ich hier mütterlich sah, den Argwohn ins Behutsame gewandelt, reichte dem Feldscher ein Frauchen heraus, nicht größerals ein mittleres Kind, und der Feldscher reichte es mir in den Wagen.
    Was ich heut viel Auto fahr, sagte sie, und: Wo warst denn wieder, Siegfried?
    So alt hatte ich keine gesehen und wußte nicht: Sagt es einer, wenn er nicht Siegfried ist?
    Was da, mein Beruf ist einer gegen Irrtümer an, befaßt mit Weltbildern, wer ihn ausübt, und mit brunnentiefen Wahrheiten; da soll ich Siegfried bleiben?
    Meine Aufklärung verfing sich in ihrer Frage: Hast die Äpfel mit?
    Alles ist da, sagte ich, und durch die offenen Türen sagten der Grenzhauptmann und der Zollrat und die Zollassistentin und der Heilgehilfe:

Weitere Kostenlose Bücher