Lebenslauf zweiter Absatz
paßte mich zu längerem Aufenthalt in den altledernen Sessel.
Die Vorsorge war nicht vertan, denn Josef Klagg zog mich in eine verfächerte Geschichte, durch die ich, neben anderem, von einem spezifischen Gewicht der Bronze erfuhr und von der Befestigung legierter Hufe auf Platten aus Stein und vom Durst, der in Tiefbaukolonnen zu herrschen pflegte, und vom Weitblick, über den, auch das Historische betreffend, Hauptbuchhalter verfügen müssen und über den der Hauptbuchhalter Josef Klagg geboten hatte ein langes Arbeitsleben lang.
Das Erzählstück begann mit der Auskunft, auf dem heutigen Platz der Guten Taten habe Ecke Fortschrittsallee ganz früher einmal der Große Reiter gestanden, undes endete mit der Eröffnung, die obere Hälfte des Großen Reiters diene derzeit als Wandung unseres Goldfischteiches, und aus dem unteren Teil sei im Erholungspark vom VEB Ordunez die Pingpongstätte geworden.
Zweigeteilt und kopflings, erfuhr ich, stecke die Hohlbronze, die ehedem ein geschätztes Standbild war, im Erdreich hinter der vormaligen Fabrik von Abzeichen-Herrmann und trage bei zur Reproduktion volkseigener Arbeitskraft.
So, Farßmann, dachte ich, da bist du also bei Josef Baron von Klaggshausen gelandet, und ich machte mich auf Wirbelstürme im Berliner Raum gefaßt, denen ein güterwagenschweres Denkmal nur Spielball gewesen war, Pingpongball sozusagen, und es fragte sich lediglich, war Josef Klagg auf dem bronzenen Unterstück durch die wildbewegte Berliner Luft von Mitte bis Prenzlauer Berg gesegelt, oder hatte er, was mir sogleich wahrscheinlicher schien, hinter dem halbierten Reiter Platz genommen und dem halbierten Roß die Zügel geführt bis über den vorausberechneten Absturzort dort, wo die S-Bahn am VEB Ordunez vorbeikommt und dem kleinen Pärkchen dahinter.
Der Rentner Josef Klagg ahnte wohl, daß er in meinen Augen mit Dreispitz und gepudertem Zopf versehen war, und er hat die flatternde Geschichte an der Erde festgemacht. Er hat sie mit Buchhalters Daten beschwert, und weil sein Bericht der Aktenlage entsprach und Teich wie Tisch im Garten von Ordunez vorhanden waren, ließ ich vom Verdacht, in diesem pensionierten Bilanzführer sei uns ein neuer Münchhausen erschienen. Nicht er war der Aufschneider, sondern Umstand und Läufte der Zeit hatten für den Anschein von Lügenhaftigkeit gesorgt.
Also der Große Reiter. Den hatten welche, als Preußen per Dekret zernichtet worden war, vorsichtshalber oder aus überschüssigem Eifer oder weil sie diesen Herrn nun herrenlos glaubten, von seinem Sockel gehoben und beiseite gebracht. Ob es eine Transportfrage gewesen ist oder ob sie dachten, zwei halbe Große Reiter seien weniger auffällig als ein ganzer, jedenfalls haben sie ihn in Höhe der Satteldeckenmitte waagrecht zerschnitten und auf einen Lagerplatz vom Tiefbau gefahren. Der stieß an das Betriebsgelände von Abzeichen-Herrmann, und wüst sah es auf beiden aus. Vom Gerümpel, das übergenug vorhanden war, türmte man etliches auf die Reiterhälften, denn Bronze hatte ihren Handelswert. Auch zählte es nicht als Verdienst, einem bedenklichen Oberpreußen Asyl gegeben zu haben.
Aber als wieder eine Ordnung war im Land und der Tiefbau sich anschickte, Ordnung auch auf seinen Lagerplätzen zu schaffen, hat der Geländeverwalter über den Zaun gefragt, ob die Ordensleute Verwendung für ein älteres Denkmal hätten. Als Modell vielleicht. Wenn nicht, drohe die Schmelze.
Josef Klagg hat den Großen Reiter auf seine Kappe genommen, und im Grunde war es legal. Jedenfalls, solange er die Bronze als Bronze sah und nicht als Kunst und Geschichte. Dem Geländeaufseher von nebenan hat er, wie es Hauptbuchhalters Sache war, einen Schrottschein geschrieben, und die Zahlung von fünfhundert Mark für Rextransport und Lagerung Rex konnte er verantworten. In die Bücher mußte nicht, daß der zweigeteilte Rex mit Hilfe von Tiefbaugeschirr hinterm Abzeichenwerk in die Erde kam. In die Bücher mußte vom Aufwand nichts, der aber nötig war, die Preußenteile zweckdienlich zu verwahren.In den Büchern fand sich nichts, das einer Revision nicht standgehalten hätte. Die Bronze war ja da.
Die Bronze ist ja da, sagte der Rentner Josef Klagg zu mir, und gespannt sei er, sagte er auch, wie ich das Weitere zu regeln gedächte.
Ich beeilte mich, auf meinen Status als Vertretung hinzuweisen, und das beste scheine mir, fügte ich mit Nachdruck hinzu, wir beide vergäßen den Großen Reiter sofort und für immer.
Aber
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