Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
die Nachricht zu Tage, ohne Zweifel sei hier der andere Teil vom Medaillenrex verborgen.
    Pfiffig sind sie gewesen, sagte er, sie haben die Beine von dem Gaul unter allerlei Gestein versteckt. Aber unsere Bronze ist es, und nun heißt es, die Reserven als Ressourcen zu nutzen. Unser geliebter Ordunez kann von der Binnenbindung zur Außenveräußerung übergehen.
    Er schien diesen Satz auf eine im Marschwinde knatternde Bannerbahn zu passen, doch fiel ihm wohl ein,daß unsere Mission fürs erste verdeckt zu bleiben hatte. Bei Gott, er legte den Arm um meine Schulter, zerrte mich beinahe bis an unseren Zaun und wies zum leeren Gasgemäuer hinüber.
    Tot und überflüssig, sagte er, so sieht das aus! Aber dank gewisser Erschließungsmaßnahmen bleibt unsereins ein solches Schicksal erspart.
    Liebend gern hätte ich ihn über das Drahtgeflecht gekantet, denn die Vorstellung von den Frauen der Brigade Buchung stellte sich unschwer her, wie sie da am Fenster standen und vor Sprüchen überflossen, weil Farßmann von Scharrbowski einen alten Gasometer erklärt bekam.
    Doch wie ich bald erfuhr, war den Damen unsere Expedition entgangen, da sie einander Neuestes aus Kindermund mitzuteilen hatten. Ihr Gelächter gab mir einen guten Grund, durch ihre und nicht durch meine Tür in die Buchhalterei einzutreten. Auch mußte ich nicht lange um Aufnahme in den erheiterten Kreis ersuchen, sondern bekam gleich und wie in alten Zeiten überliefert, was unsere Jüngsten so lustig zum Leben zu sagen wußten. Der Knabe von Frau Woltermann, Vorschüler noch und nicht ganz fünf, hatte den Bildbericht über zwei Oberhäupter, die sich zu Füßen einer Gangway herzten, mit dem frühreifen Ruf untermalt: Da sind ja wieder die beiden Küsser!, und es hatte die Eltern einige Mühe gekostet, dem Jugendlichen Brauchtum und Richtlinien des Protokolls übersichtlich darzulegen. Vor allem wollte dem Kinde nicht einleuchten, daß es ausschließlich Sache der Allerhöchsten sei, sich öffentlich wie zärtlich Liebende aufzuführen.
    Die Brigade Buchung, deren Teil ich für die Dauer eines köstlichen Gesprächs wieder war, dachte über Vorschriftendieser Art kaum anders als der Woltermann-Sohn, und wie wir weitere Vorschriften besprachen, erzielten wir weiteres Einverständnis. Doch wußte ich, daß mein Glück nicht dauern konnte. Ein Schritt über die Schwelle, hinter der sich das Buchhalten in höheren Formen vollzog, und Fremdlinge würden wir neuerlich sein, Helga Woltermann, Ellen Jäger und Lia Weigel auf der einen und ich auf der gänzlich anderen Seite.
    Ohne die Schweigepflicht, in die ich von Scharrbowski genommen war, hätte ich von der Ausgrabung des Großen Reiters berichten und wenigstens mit der wärmenden Heimeligkeit unseres Forschungszirkels rechnen können. Da jedoch das Archäologische vorerst unter uns Leitern zu bleiben hatte, hieß Entfremdung weiter mein Los.
    Unter uns Leitern!, so dachte ich wahrhaftig und konnte es kaum fassen, und um wenigstens einen Hauch der alten Gemeinsamkeit in den Chefflügel hinüberzuretten, trat ich nicht über die Trennschwelle nach nebenan, sondern ging behutsam aus der Buchhaltung auf den Korridor und vom Korridor ganz leise in die Hauptbuchhaltung.
    Laut meldete sich am dortigen Telefon mein Werkdirektor und verkündete, er werde die Gleisbauabteilung der Reichsbahn einschalten. Die hätten weitreichende Kräne, und mit zwei Greifergriffen hinüber zum Ordunezgebiet sollte es ihnen ein leichtes sein, die Bronzebrocken zu bergen. Hin zur Schmelze und als Barren zurück zu uns müsse der Krempel ohnedies auf der Schiene.
    Der Krempel, sagte ich und hob mein Buchhalterhaupt dabei, ist vorerst noch Teil unseres Erholungsparks, und wenn die Gewerkschaft eines Morgens dort, wo amAbend Pingpongplatz und Ordunezbecken gewesen sind, nur zwei rissige Löcher findet, wird die Gewerkschaft womöglich böse.
    Wie ich sein langes Schweigen deutete, war ihm so ausgefallenes Verhalten kaum vorstellbar, doch fragte er, ob man nicht zwecks vorsorglicher Beschwichtigung den Freizeitwert des verlotterten Kurbereichs durch einen schönen Swimmingpool erhöhen könne. Es wäre, meinte er, eine schöpferische Anwendung des Baggerseeprinzips, und der Materialeinsatz Plaste gegen Bronze scheine ihm auch zeitgemäß.
    Kann alles sein, sagte ich, aber die Deutsche Reichsbahn empfehle ich nicht. Ich will, trotz ihres überständigen Namens, nicht behaupten, daß es alles Kaisertreue sind, aber ob die Hand anlegen, um

Weitere Kostenlose Bücher