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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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meldet sich nicht«, sagte Louise. Es stimmte nicht, aber na und. »Sie hat doch ihr Handy mitgenommen, oder?«
    »Ja, natürlich.«
    »Vielleicht könnten Sie mir die Telefonnummer und Adresse ihrer Tante geben?«
    »Ihrer Tante?«
    »Mhm.«
    Er tippte sich mit dem Finger an die Schläfe und überlegte kurz, bevor er sagte, »Ich glaube, sie ist im Arbeitszimmer«, und verließ widerstrebend den Raum, als würde er sich auf eine besonders schwierige Suche machen.
    Nachdem er in den Eingeweiden des Hauses verschwunden war, begann ein Telefon, ein Handy, zu klingeln. Es war in der Nähe, aber das Geräusch war gedämpft, als wäre das Handy irgendwo vergraben. Louise verfolgte das Klingeln bis zu der Schublade im großen Küchentisch. Als sie die Schublade aufzog, drang plötzlich Musik heraus. Es klang vage nach Bach, war jedoch zu obskur, als dass Louise es hätte identifizieren können. Dank Patrick erkannte sie jetzt viel, konnte aber nur ein paar bekannte Stücke benennen – Beethovens Fünfte, Schwanensee, Carmina Burana –, »Klassik light« laut Patrick. Er war zudem ein großer Opernfan, insbesondere liebte er die Opern, die Louise nicht mochte. Sie war »eine Populistin«, meinte er lachend, weil ihr nur die großen Herzensbrecherarien gefielen. Im Wagen hatte sie eine CD von Maria Callas, eine »Best of«, die sie viel hörte, obwohl sie bezweifelte, dass es gesundes Entertainment bei Autofahrten war.
    Instinktiv wollte sie an das klingelnde Handy gehen, doch es wäre aufdringlich, ja unethisch gewesen. Sie nahm trotzdem ab.
    »Jo?« Eine Männerstimme, eine Stimme, der man die Aufregung und Spannung anhörte, sogar in dieser einen Silbe.
    »Nein«, sagte Louise. Louise gestand sich ein, dass sie sich darauf gefreut hatte, Joanna Hunter wiederzusehen, sich diese Freude jedoch verweigert hatte. Joanna Hunter war der Grund gewesen, warum sie heute Morgen gekommen war, nicht Neil Hunter.
    Wer immer es war, legte sofort auf. Wenn es Joanna Hunters Handy war, warum lag es dann in der Schublade? Und wer rief sie an – falsche Nummer gewählt? Ein Liebhaber? Ein verrückter Patient?
    Sie legte das Handy zurück und schloss die Schublade. Der Akku war so gut wie leer. Neil Hunter musste es während der letzten beiden Tage klingeln gehört haben. Warum hatte er es nicht einfach ausgeschaltet? Vielleicht wollte er wissen, wer seine Frau anrief. Er kehrte in die Küche zurück, und Louise sagte: »Ich würde gern Dr. Hunters Handy sehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    »Ihr Handy?«
    »Ihr Handy«, sagte sie bestimmt. »Wir haben ein Problem, Andrew Decker zu finden, ich muss wissen, ob er Dr. Hunter während der letzten Tage angerufen hat.« Sie improvisierte. Erfand, während sie sprach, tat das nicht jeder? Nein?
    »Warum sollte Andrew Decker sie anrufen?«, sagte Neil Hunter. »Jo ist doch bestimmt die letzte Person, mit der er sich in Verbindung setzen würde?«
    »Oder die erste. Ich will mich nur vergewissern«, sagte Louise. Sie lächelte Neil Hunter aufmunternd an und streckte ihm die Hand hin. »Das Handy?«
    »Sie hat es mitgenommen, das habe ich Ihnen doch gestern schon gesagt.«
    »Nur dass sich Dr. Hunter nicht meldet, wenn ich sie anrufe«, sagte Louise unschuldig (oder so unschuldig wie möglich). Sie wählte auf ihrem Handy eine Nummer und hielt es hoch, als wollte sie ihre Unfähigkeit, Dr. Hunter zu erreichen, demonstrieren. Ein paar Sekunden später setzte der blecherne, gedämpfte Bach ein. Neil Hunter starrte auf den Holztisch, als hätte der gerade die Beine in die Luft geworfen und einen Can-Can getanzt. Louise öffnete die Schublade und nahm das Handy heraus.
    »Na so was. Jo hat es dagelassen, ist das zu fassen?«, sagte er. Er war nicht so gut, Unschuld zu heucheln, wie Louise. »Ehrlich, meine Frau ist manchmal so was von vergesslich.« (Was hatte das Mädchen gesagt: Dr. Hunter vergisst nie etwas.)
    »Sie haben also nicht mit ihr gesprochen?«
    »Mit wem?«
    »Mit Ihrer Frau, Mr. Hunter.«
    »Natürlich habe ich das, das habe ich Ihnen doch gesagt. Dann habe ich sie eben auf dem Telefon ihrer Tante angerufen.« Er reichte ihr einen Zettel mit einer Adresse und einer Telefonnummer. Die Tante.
    »Wann?«, fragte Louise.
    »Gestern.«
    »Haben Sie was dagegen, wenn ich das Handy mitnehme?«
    »Sie wollen ihr Handy mitnehmen?«
    »Ja«, sagte sie. »Ich will ihr Handy mitnehmen.«
     
    Sie saß im Wagen vor Alison Needlers Haus und trank einen unterwegs gekauften Kaffee.
    Agnes

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