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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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hinter ihnen her. Als sie durch das Schultor gingen, blieb Louise am Straßenrand stehen, und Alison Needler nickte ihr kaum merklich zu.
    Es war noch dunkel, sie näherten sich der Wintersonnenwende, und es würde ein Tag, an dem die Sonne nicht aus dem Bett aufstand. Louise blickte auf die Uhr. In der Praxis, in der Joanna Hunter arbeitete, würde Hochbetrieb herrschen, wenn sie zurück in Edinburgh wäre. Sie ließ den Motor an und machte sich auf den Weg. Sie fragte sich, wie viele Kilometer der Tacho des BMW s anzeigen würde, wenn sie endlich wieder das Gefühl hätte, nicht mehr unterwegs sein zu müssen.
     
    Keine Nachricht von Dr. Hunter, kein Wort, seitdem sie am Donnerstagmorgen von ihrer plötzlichen Beurlaubung erfahren hatten.
    Louise gelang es schließlich, die Sprechstundenhilfe aufzuspüren, die den Anruf entgegengenommen hatte, und rief sie vom Wagen aus an. Es war ihr freier Tag, und sie klang, als machte sie Weihnachtseinkäufe. »Ich bin im Gyle«, sagte die Sprechstundenhilfe mit erhobener Stimme, um Slade zu übertönen. Die Frau klang verständlicherweise genervt, Louise wäre genervt, wenn sie im Gyle Shopping Centre Weihnachtseinkäufe machen müsste. Was sollte sie Patrick zu Weihnachten schenken? Archie war leicht, er wünschte sich Geld (»Viel Geld, bitte«), aber Patrick erwartete etwas Persönliches, etwas mit Bedeutung. Louise war nicht gut mit Geschenken, sie wusste weder, wie man sie annahm, noch wie man sie gab. Und das nicht nur bei Geschenken.
    »Nein«, sagte die Sprechstundenhilfe nach einem Augenblick des Zögerns. »Nicht Dr. Hunter, ihr Mann hat angerufen. Er sagte, es handelt sich um einen Notfall in der Familie.«
    »Sind Sie sicher, dass es ihr Mann war?«
    »Tja, das hat er zumindest behauptet. Er war aus Glasgow«, fügte sie hinzu, als entschiede das die Sache. »Sie ist zu einer kranken Tante gefahren.«
    »Ja«, sagte Louise. »Das habe ich auch gehört.«
     
    Sheila Hayes leitete eine pränatale Praxis am Ende des Korridors. Die Gegenwart von so viel Fruchtbarkeit nervte Louise, es war schlimm genug, mit Karen zu arbeiten, aber hier war die Luft gesättigt mit Hormonen, während busgroße Fruchtbarkeitsgöttinnen in alten, mit Eselsohren versehenen Ausgaben von OK ! blätterten und das Gewicht ihrer unförmigen Massen auf den harten Stühlen verlagerten.
    Louise zeigte der Sprechstundenhilfe ihren Polizeiausweis und sagte, »Sheila Hayes?«, und die Sprechstundenhilfe deutete auf eine Tür und sagte: »Eine Frau ist gerade bei ihr drin.« Mehr Frauen. Frauen des Sees, der Lampe, der Nacht. Louise wartete, bis die Frau, bereits von zwei Kindern behindert, herauswatschelte, und schlüpfte ins Sprechzimmer der Hebamme.
    Sheila Hayes lächelte sie freundlich an, schaute in ihre Akte und sagte: »Mrs. Carter? Ich glaube, wir kennen uns noch nicht.«
    »Ich bin nicht Mrs. Carter«, sagte Louise und hielt ihr den Ausweis hin. »Kriminalhauptkommissarin Louise Monroe.« Sheila Hayes professionelles Lächeln erlosch. »Ich habe eine Frage bezüglich Dr. Hunter.«
    »Ist ihr was passiert?«
    »Nein. Ich führe Routineermittlungen wegen der Geschäfte ihres Mannes durch –«
    »Neil?«
    »Ja, Neil. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mit niemandem darüber sprechen würden.«
    »Natürlich.«
    Louise vermutete, dass die gesamte Praxis davon wüsste, bevor sie wieder draußen wäre. Die Sprechstundenhilfe war angesichts von Louises Ausweis vor Neugier schier geplatzt. »Ich versuche, Dr. Hunter ausfindig zu machen, sie hat Ihnen nicht gesagt, dass sie verreist?«
    »Nein«, sagte Sheila Hayes. »Offenbar ist sie bei einer Tante, laut Reggie – Reggie ist das Mädchen, das sich um ihr Baby kümmert. Jo sollte mich am Mittwochabend treffen, aber sie kam nicht und hat sich am Telefon nicht gemeldet, als ich sie anrief, um herauszufinden, was los war. Das ist sehr untypisch für sie, aber vermutlich hat es etwas mit der Geschichte in der Zeitung zu tun.«
    »Mit welcher Geschichte?«
     
    »Was gefällt dir besser?«, fragte Karen Warner. »›Mason-Mörder vermisst‹ oder ›Das Ungeheuer von Bodmin Moor‹. Es war nicht Bodmin Moor.«
    »Eine schottische Zeitung«, sagte Louise, »ist zwangsläufig vage, wenn es um englische Geographie geht.«
    »Nachdem er dreißig volle Jahre für den brutalen Mord an bla, bla, bla. Gesicht eines Mörders. Das Foto ist über dreißig Jahre alt. Joanna Mason änderte ihren Namen und arbeitet vermutlich als Allgemeinärztin in

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