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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Barker. Die alte Tante, wie eine Figur in einer Farce, überhaupt nicht wie eine wirkliche Person (Die Bühne betritt von links: »Eine alte Tante«). Die Tante war siebzig, nicht so alt, nicht heutzutage. Das Alter rückte in die Ferne, je näher man ihm kam. Lebe schnell, stirb jung, hatte Louise früher gescherzt, aber es war schwer, sich rasch zu bewegen, wenn man von Wäschetruhen und silbernen Serviettenringen behindert wurde, ganz zu schweigen davon, dass man sich freiwillig für den Rest des Lebens an einen einzigen Mann gekettet hatte. Verstand man das unter Eheschließung? Ein guter Mann, rief sie sich ins Gedächtnis.
    Sie hatte im Internet recherchiert und ein paar spärliche Dinge über Agnes Barker herausgefunden – geborene Agnes Mary Mason, 1936, Besuch der Königlichen Schauspielakademie, ein paar Jahre auf der Bühne, 1965 Heirat mit Oliver Barker, einem Hörfunkproduzenten bei der BBC . Sie lebten in Ealing, keine Kinder. Umzug nach Hawes 1990, der Mann war vor zehn Jahren gestorben.
    In Der Ladenbesitzer gab es eine Schwester namens »Margot« – ein hochnäsiges, snobistisches Mädchen – vermutlich Agnes’ fiktionales Alter Ego. Louise hatte allmählich das Gefühl, sie könnte bei Mastermind auftreten und alle Fragen zu »Leben und Werk von Howard Mason« beantworten.
    Auf Künstlerin machende Schwester eines auf Künstler machenden Bruders. In Der Ladenbesitzer ging Margot noch in die Schule, hatte jedoch »närrisch unrealistische Träume von Ruhm und Erfolg«.
    Es gab keinen Grund auf der Welt, an der Existenz der Tante oder an ihrem Zustand zu zweifeln. Doch als sie Joanna Hunters Handy überprüfte, was sie jetzt tat, und die Anrufer und gewählten Nummern mit der Nummer verglich, die ihr Neil Hunter widerwillig gegeben hatte, tauchten keine Anrufe bei oder von Agnes Barker auf, überhaupt keine Anrufe aus Hawes. Vielleicht benutzten Joanna Hunter und ihr Mann die Tante als eine Art Deckung, um Joanna Hunter Raum zu geben. Damit sie sich entziehen konnte. Unwahrscheinlich.
    Joanna Hunter hatte am Mittwoch sechs Anrufe getätigt und war fünfmal angerufen worden. Am Donnerstag war sie mehrmals angerufen worden – oder zumindest das Telefon. Sie kramte Reggie Chases Nummer heraus, und die meisten Anrufe waren von ihr, was keine Überraschung war. Jede weitere Erforschung von Joanna Hunters Handy erwies sich als unmöglich, weil der Akku, der auf dem letzten Loch pfiff, endgültig den Geist aufgab.
    Sie rief bei Agnes Barker an, und eine höfliche roboterhafte Stimme informierte sie davon, dass diese Nummer nicht länger existierte. Sie rief im Revier an und beauftragte den geschicktesten Kollegen herauszufinden, wann das Telefon abgeschaltet worden war. Keine zehn Minuten später rief er zurück und sagte: »Letzte Woche, Boss.« Abgeschaltet und vergriffen. Die Masons waren wie ein Trugbild, alles nur Rauch und Spiegel.
     
    Louise blätterte in dem neuen Buch von Howard Mason, Der Weg nach Hause, zwei Jahre nach seiner Hochzeit mit Gabrielle geschrieben. Die Protagonistin des Romans hieß Francesca und hatte exotische Eltern und eine kosmopolitische Jugend, eine ganz andere Welt als der männliche Protagonist, Stephen, der in einer klaustrophobischen Bergarbeiterstadt in West Yorkshire aufgewachsen war – überall schmutzige Kanäle und rußgeschwärzte Häuser. (Louise fragte sich, wie Jackson Howards Buch finden würde.)
    Stephen, der seinem Erbe nördlichen Elends entkommen war, lebte jetzt ein Zigeunerleben mit seiner neuen Schulmädchenfrau – er war mit ihr durchgebrannt – in den Boheme-Enklaven Europas. In dem Buch gab es unheimlich viel Sex, auf jeder zweiten Seite fielen Stephen und Francesca übereinander her wie die Karnickel, saugten und stießen und bäumten sich auf. Louise vermutete, dass Howard Mason dank des vielen Sex in Mode gekommen war und zwar – sie schlug das Publikationsjahr nach – 1960. Louise gähnte, es war erstaunlich langweilig, um diese Uhrzeit, ja zu jeder Tageszeit Sexszenen zu lesen.
    Die Tür der Needlers wurde geöffnet, und Alison steckte den Kopf heraus, um zu kontrollieren, ob die Luft rein war, bevor sie kurz darauf mit den Kindern wieder auftauchte. Sie führte sie die Straße entlang in die Schule, als wären sie ein ungebärdiges Rudel Hunde, doch tatsächlich waren sie so fügsam wie Zombies. Die vier Needlers nahmen ein ganzes Arsenal von Aufputsch- und Beruhigungsmitteln zu sich. Louise ließ den BMW an und fuhr langsam

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