Lebenslügen / Roman
hatten sie in der Schule durchgenommen. Sie hatten Donne gelesen. Ha.
In Reggie tat sich eine schreckliche Leere auf, als hätte jemand alle lebenswichtigen Organe entfernt. Die Welt zog sich zurück. Panik machte sich in ihr breit, so wie damals, als man sie von Mums Tod unterrichtet hatte. Wo war Dr. Hunter? Wo war Dr. Hunter? Wo war sie?
Er war Kriminalpolizist. Früher. Sie wussten, wie man Leute findet. Leute, die verschwunden waren.
Ein guter Mann ist schwer zu finden
A ber leicht zu verlieren.
Sie bekam keine Luft. Ein schweres Gewicht drückte ihr auf die Brust und erstickte sie, ein großer Felsen zermalmte sie, folterte ihre Lunge. Louise wachte erschrocken auf und schnappte nach Luft. Verdammt, was war das gewesen?
Es schien unnatürlich früh, extrem früh, so wie es sich anfühlte und anhörte. Sie tastete nach ihrer Brille. Ja, tatsächlich, die digitale Anzeige auf der Nachttischuhr glühte halloweengrün und zeigte nur Fünfen, fünf Uhr fünfundfünfzig.
Ihr Kopf pochte, und ihr Magen war in Aufruhr, der Wein vom Vorabend floss noch träge in ihrem Blut. Rotwein war keine gute Idee gewesen, er zerrte die rührselige Schottin aus dem dunklen, kariert ausgeschlagenen Loch in ihr, in dem sie lebte. Whisky beruhigte das verbitterte Monster, aber Rotwein brachte sein Blut in Wallung.
Sie war noch immer jeden Morgen überrascht, dass sie neben einem Mann erwachte. Diesem Mann. Er schlief ruhig, die ganze Nacht in einer fötalen Position, weit auf seiner Seite des neuen kaisergroßen Bettes. Ohne dass sie es ihm erklären musste, verstand Patrick, dass sie viel Platz für ihren unruhigen Schlaf brauchte.
Es hatte ihn letzte Nacht amüsiert, dass die gluckenhafte Anwesenheit von Bridget im Gästezimmer am anderen Ende des Gangs Sex für Louise vollkommen unmöglich machte. Mit Samantha hatte er es vermutlich in Hörweite seiner Schwester getan. Louise glaubte, dass Samantha in extremis leise gewesen war. Patrick war es jedenfalls, gab keinen Laut außer einem diskreten, aber schmeichelhaften Stöhnen von sich. Louise dagegen schrie.
Sex war gut, aber er haute einen nicht vom Stuhl, er war nicht gierig. Sie trieben keine Unzucht, sie schliefen miteinander. Louise hatte »miteinander schlafen« immer als euphemistischen Ausdruck für einen animalischen Instinkt betrachtet, aber Patrick teilte diese Ansicht nicht. Das Ehebett sei heilig, sagte er, ein gottloser Mann, wenn auch ein gottloser Ire, was nahezu ein Widerspruch in sich war.
Zuerst fand sie, dass ihre zivilisierten Paarungen von beträchtlichem Charme geprägt waren – sie hatte genügend verschwitzte wilde Begegnungen hinter sich –, aber mittlerweile begann sie daran zu zweifeln. Sollte sie Jackson jemals küssen, dann wäre das das Ende von Anstand und guten Manieren. Zwei Tiger, die des Nachts brüllten. Nicht letzte Nacht im Krankenhaus, das war ein züchtiger Kuss für einen Kranken gewesen. Sollten sie sich jemals richtig küssen, würden sie Atem austauschen, würden sie ihre Seelen austauschen. Denk nie im Bett eines Mannes an einen anderen Mann, insbesondere wenn der Mann im Bett dein Mann ist. Der Gipfel schlechter Manieren, Louise. Schlechte Ehefrau. Miserable Ehefrau.
Sie sah zu, wie die Uhr auf fünf Uhr sechsundfünfzig sprang, und schlüpfte leise aus dem Bett. Patrick wachte normalerweise nicht vor sieben Uhr auf, aber Bridget und Tim waren Frühaufsteher, und Louise hielt sich für nicht in der Lage, um diese Uhrzeit eine höfliche Konversation mit einem von beiden zu führen. Oder, Gott bewahre, ein weiteres Frühstück en famille. Dennoch war sie entschlossen, sich für die restliche Zeit ihres Besuchs auf die Zunge zu beißen, sie falls nötig abzubeißen, und so höflich wie eine Hausdame zu sein. Die Hündin trug einen Maulkorb.
Sie setzte ihre Kontaktlinsen ein und betrachtete sich im Spiegel. Sie sah immer noch erschöpft aus – sie war erschöpft –, doch gleichzeitig fühlte sie sich über die Maßen erleichtert, weil sie in die Arbeit und nicht Gastgeberin spielen musste.
Sie dachte an Jackson, wie er im Bett lag, geschunden und verletzt, ausgezählt. Er war der Typ, der immer wieder auf die Beine kam, aber eines Tages wäre es natürlich vorbei. Warum war er immer zur falschen Zeit am falschen Ort? Sie hörte ihn Vielleicht war es der richtige Ort zur richtigen Zeit sagen. Er war überaus irritierend, sogar in ihrer Phantasie.
Er sah so verletzlich aus. Der König sitzt in Dumfernline und trinkt
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