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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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worden.«
    »Nicht von der Tante, das kann ich dir versichern«, sagte Louise.
    Reggies kleines Gesicht erstrahlte. »Sie sind wegen der Tante hier! Haben Sie mit Dr. Hunter gesprochen? Haben Sie das Baby gesehen?«
    »Nein.«
    Das kleine Gesicht umwölkte sich. »Nein?«
    »Die Tante ist tot.«
    »Dann muss sie wirklich sehr krank gewesen sein«, sagte Reggie ernst. »Arme Dr. Hunter.«
    »Sie ist schon eine Weile tot«, gab Louise widerwillig zu. »Zwei Wochen, um genau zu sein.«
    »Zwei Wochen? Das verstehe ich nicht«, sagte Reggie.
    »Ich auch nicht«, sagte Louise. »Ich auch nicht.«
     
    Reggie machte erneut Inventur von Dr. Hunters Handtasche, verkündete jeden Gegenstand laut vom Rücksitz – »eine Rolle Polos, einmal Papiertaschentücher, eine Haarbürste, ein Filofax, ihr Asthmaspray, ihre Brille, ihre Geldbörse. Das sind Sachen, die man nicht zu Hause lässt.«
    Außer man hat es eilig, dachte Louise.
    »Außer man hat es eilig«, sagte Jackson.
    »Fang nicht an zu denken«, warnte ihn Louise.
    »Schau dir die Fakten an«, sagte er und ignorierte ihren Rat. »Die Frau ist definitiv verschwunden, aber ob freiwillig oder gegen ihren Willen, das ist die Frage.«
    »Tatsächlich, Sherlock?«, murmelte Louise.
    »Dr. Hunter ist etwas Schlimmes passiert«, sagte Reggie bestimmt. »Ich weiß es. Ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt, dass der Mann in Mr. Hunters Haus ihn bedroht hat, er hat gesagt, dass ›dir und den deinen‹ was zustoßen wird. Er hat keinen Spaß gemacht.«
    »Ich will mich ja nicht einmischen«, sagte Jackson, »aber vielleicht deckt ihr Mann sie?«
    »Warum?«, sagte Louise.
    »Weiß nicht. Er ist ihr Mann, Eheleute tun das füreinander.«
    »Ja?«, sagte Louise. »Wie heißt sie?«
    »Wie heißt wer?«
    »Deine Frau.«
    »Tessa. Sie heißt Tessa. Du würdest sie mögen«, fügte er hinzu. »Du würdest meine Frau mögen.«
    »Nein, würde ich nicht.«
    »Doch, das würdest du«, sagte Jackson.
    »Ach, jetzt halt den Mund.«
    »Ich denk nicht dran«, sagte Jackson.
    »Aufhören«, sagte die kleine Stimme der Vernunft auf dem Rücksitz.
     
    »Sie hat alles dagelassen«, sagte Reggie. »Ihr Handy, ihre Geldbörse, ihre Brille, ihr Spray, ihr Ersatzspray, ihren Hund, die Decke des Babys. Außerdem hat sie sich nicht umgezogen, sie zieht sich immer sofort um, und die Männer, die Mr. Hunter bedrohten, haben gesagt, dass er nie wieder was von ihr hören würde, wenn er die Ware nicht beibringt. Und die Tante existiert nicht! WAS FÜR BEWEISE BRAUCHEN SIE NOCH ?«
    »Sorg dafür, dass sie in eine Papiertüte atmet, ja?«, sagte Louise zu Jackson.
     
    »Aber«, sagte Marcus, »hat das jetzt was mit Decker zu tun oder nicht? Ist es reiner Zufall, dass er genau im gleichen Moment auftaucht, in dem sie verschwindet? Und dann? Ist er einfach vom Unglücksort weggegangen?«
    »Er ist nirgendwo aufgetaucht«, sagte Louise. »Er ist der unsichtbare Mann.«
    »Decker«, murmelte Jackson und schaute nachdenklich aus dem Fenster. »Decker? Warum kommt mir der Name bekannt vor?«
    Decker war verschwunden, Jackson war da. Als ob sie auf mysteriöse Weise die Plätze getauscht hätten. Jackson hatte bei dem Zugunglück seinen BlackBerry verloren und seltsamerweise zur gleichen Zeit Deckers Führerschein bekommen. War er, ohne es zu wissen, an Deckers Stelle getreten? War Decker der Mann gewesen, der auf Joanna Hunters Handy angerufen hatte, als Louise gestern Morgen in ihrem Haus war? Er hatte nach »Jo« gefragt, nicht nach Joanna oder Dr. Hunter. Hatte sie Sagen Sie Jo zu mir zu ihm gesagt, als sie ihn im Gefängnis besuchte? Was hatte sie sonst noch mit ihm gesprochen?
    »Was hast du sonst noch verloren?«, fragte Louise Jackson.
    »Kreditkarten, Führerschein, Schlüssel«, sagte Jackson. »Im BlackBerry ist ein Adressbuch.«
    »Im Grunde deine ganze Identität. Was, wenn Decker sie benutzt? Du bekommst den Führerschein eines Häftlings der Kategorie A, gegen den ein Haftbefehl vorliegt, und er bekommt dich – einen angeblich rechtschaffenen Bürger –, Kreditkarten, Geld, Schlüssel, ein Handy. Die letzte Person, die Joanna Hunter am Mittwoch angerufen hat, hat mit deinem Handy angerufen, mit deinem BlackBerry, es war also vielleicht Decker. Er ruft Joanna Hunter an, und sie verschwindet. Neil Hunter behauptet, sie ist um sieben weg, aber dafür haben wir nur sein Wort. Vielleicht ist sie später weg, nach dem Telefonanruf. Und wenn sie fortgefahren ist – irgendwie, nicht mit ihrem

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