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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Schritten und Stufen. Ein Mädchen namens Ellie, ein Haus in Malbet Wynd. Er tat nichts ohne Vorbereitung.
    Nachdem er ausgestiegen war, rutschte Louise auf den Fahrersitz und öffnete das Fenster. »Als Erstes müssen wir morgen früh herausfinden, ob und wo Jackson Brodies Kreditkarten benutzt wurden. Und versuchen, sein Handy ausfindig zu machen.«
    »Okay, Boss.«
    »Gute Nacht, Pfadfinder.«
    »Gute Nacht, Boss.«
    Sie wartete, bis er die Haustür aufgeschlossen, sich umgedreht und gewunken hatte und ins Haus gegangen war. In einem Zimmer unten bewegte sich ein Vorhang, vermutlich seine nach Höherem strebende Mutter.
    Sie saß noch eine Weile länger da und überlegte, ob sie außer nach Hause noch irgendwo anders hinfahren könnte. Fife und alle Orte im Norden waren gleich jenseits des Wassers. Wie weit würde sie kommen, bevor jemand merkte, dass sie nicht mehr da war?

Trübsal
    I m Nachhinein sah Reggie ein, dass sie Jackson Brodie möglicherweise von ihren kriminellen Verbindungen hätte erzählen sollen. Wenn sie ihn zum Beispiel vor ihrem Bruder gewarnt hätte, bevor sie ihn zum Übernachten zu sich einlud, dann hätte er Ms MacDonalds Wohnzimmer vielleicht nicht vor ihr betreten (während sie die Haustür zusperrte, damit sie sicher wären – Ironie, haha, et cetera) und sich von einem hässlichen Briefmesser bedroht gesehen, das die Haut über seiner Halsschlagader ritzte an nahezu genau der Stelle, an der sie in der Nacht des Zugunglücks verzweifelt nach einem Puls gesucht hatte. Am anderen Ende des Briefmessers stand Billy.
    »Überraschung!«, sagte er tonlos. »Wer ist der Witzbold?« Er drückte das Messer fester an Jacksons Hals. »Was tut er hier?«
    »Lass ihn los«, sagte Reggie. Es hatte keinen Sinn, an Billys bessere Natur zu appellieren, weil er keine hatte, aber man musste es versuchen. »Du kennst ihn nicht.«
    Zu ihrer und auch zu Jacksons Überraschung ließ Billy ihn los, stieß ihn zu Boden, wo er schwer aufschlug, weil er den Sturz nur mit einem Arm abfangen konnte. Als Nächstes wurde Reggie von Billy überrumpelt, der stattdessen sie packte, ihr den Arm um den Hals legte und dabei nahezu ihre Luftröhre zerdrückte. Das Gleiche hatte er getan, als sie Kinder waren. Mum sagte: Gib deiner kleinen Schwester ein Küsschen, damit sie weiß, dass es dir leid tut, denn er musste sich ständig für schlechtes Betragen entschuldigen – er nahm ihr die Puppe weg, warf ihre Legobauten um, biss sie – er war ein schrecklicher Beißer –, und dann sang er »Entschuuuldiige, Reggie« und erwürgte sie halb, während er sie küsste, und Mum sagte: Böser Junge, Billy. Er blickte verschreckt drein so wie die Pferde auf der Wiese, wenn Sadie ihnen zu nahe kam.
    Jackson kämpfte sich auf alle viere und stand dann langsam auf. Billy hörte auf, sie zu würgen, drückte stattdessen die Spitze des Messers an ihren Hals und sagte zu Jackson: »Denken Sie nicht im Traum daran, sich einzumischen.« Sie spürte die Klinge, kalt und scharf auf ihrer Haut. Es war ein so kleines Messer, aber es konnte ihr so viel antun.
    Jackson stand mitten im Zimmer zwischen dem Inhalt von Ms MacDonalds Bücherregalen, angespannt und auf den Zehen wie ein Boxer, bereit, in den Kampf zu gehen. Sie sah, dass er nachdachte, die Möglichkeiten abwog, und sie dachte, oh, nein, nicht.
    »Ich bin deine Schwester, Billy«, flüsterte sie ihrem Bruder zu. »Dein eigen Fleisch und Blut.« Bessere Natur, appellieren, sinnlos et cetera, aber man musste es versuchen.
    »Er ist dein Bruder?«, sagte Jackson. »Du kleiner Scheißkerl«, sagte er zu Billy. »Es ist deine Aufgabe, auf deine Schwester aufzupassen.«
    »Sagt wer und wessen Bibel?«, fragte Billy, doch sie spürte, wie sich die Klinge ein wenig zurückzog.
    »Deine Freunde suchen nach dir«, sagte sie zu ihm.
    »Was für Freunde? Ich hab keine Freunde.« Das Traurige war, dass er klang, als wäre er stolz darauf.
    »Du hast ihnen erzählt, du heißt Reggie, stimmt’s?«, sagte Reggie. »Und dass du in Gorgie wohnst. Sie sind gekommen und haben mich bedroht und meine Wohnung angezündet.«
    »Ja, es ist eine komische alte Welt, wie die liebe alte Mum gesagt hätte.«
    »Sprich nicht so über Mum.« Wenn sie ihn in ein Gespräch verwickeln könnte, dann würde er sich schnell langweilen, er langweilte sich so schnell wie kein anderes menschliches Wesen, und dann würde er gehen und Jackson würde nicht tun, was immer es war, das er im Begriff stand zu tun – so wie

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