Lebenslügen / Roman
Alison den ganzen Tag lang machte, sie kaufte im Internet ein und behauptete, zu überdreht zu sein, um auf dem Teppich zu einem Gymnastikvideo hin und her zu hüpfen oder still dazusitzen und eine Patchworkdecke zu nähen (zwei von diversen Vorschlägen einer Sozialarbeiterin). Wann immer Louise das Haus betrat, war es makellos aufgeräumt und sauber, deswegen nahm sie an, dass Alison häufig putzte. Normalerweise lief der Fernseher, Bücher gab es keine, sie sagte, früher hätte sie gern gelesen, aber jetzt könne sie sich nicht mehr konzentrieren. Louise erinnerte sich an das Haus der Needlers in Trinity, es war ein gutes Haus gewesen, ein Reihenhaus aus Sandstein mit einem großen Garten davor und dahinter, dem Vorgarten, genau richtig für einen Mann, um sich darin selbst zu opfern.
Alison Needler hatte an jedem Fenster zwei Schlösser angebracht, drei an der Vorder- und an der Hintertür, plus schwere Riegel. Sie hatte ein Sicherheitssystem aus Klingeln und Pfeifen installiert, sie hatte einen Panikknopf, ein Handy nur für eine Notrufnummer, und wenn sie nicht in der Schule eingesperrt waren, hingen um die Hälse ihrer Kinder kleine Alarmsirenen.
Sie war in ein sicheres Haus gebracht worden, aber Alison wäre nie sicher. An Alisons Stelle würde sich Louise einen großen Hund anschaffen. Einen wirklich, wirklich großen Hund. An Alison Needlers Stelle würde sie ihren Namen ändern, sich die Haare färben, weit weg ziehen, in die Highlands, nach England, Frankreich, an den Nordpol. In einem Haus in Livingston, in dem sie darauf wartete, dass der große böse Wolf kam und alles in die Luft jagte, war sie nicht sicher.
Louise dachte daran, über die Weihnachtsfeiertage möglicherweise einen Streifenwagen vor dem Haus zu stationieren. Sollte David Needler jemals zurückkehren, dann war Weihnachten ein wahrscheinlicher Zeitpunkt, das Fest der Liebe und so weiter. Louise hoffte, er würde kommen, sie würde gern einen Einsatzwagen mit Blaulicht herschicken und den Polizeipräsidenten aus den weihnachtlichen Lustbarkeiten schrecken, damit er den Befehl gab, den Dreckskerl totzuschießen.
Louises Handy klingelte. Patrick. Er musste sich fragen, wo sie war. Sie fragte sich das selbst. Louise schaute auf ihre Uhr. Herrgott, sechs. So viel zu zweimal gebackenen Soufflés, die Schwiegerfamilie müsste sich mit Omelettes zufriedengeben.
»Louise?«
»Ja.« In ihren eigenen Ohren klang sie effizient, vielleicht ein wenig zackig. Eigentlich sollte sie sagen, Es tut mir unglaublich leid, ich habe dich versetzt, et cetera, aber das Geben und Nehmen, das Schieben und Ziehen, das Kompromisseschließen und Verhandeln in einer Partnerschaft schienen ihr nicht zu liegen. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie es schon ihr Leben lang mit Archie getan, mit einem erwachsenen Mann konnte sie nicht noch einmal von vorn anfangen. Patrick schien es wirklich nichts auszumachen, aber sie hätte ihren letzten Penny darauf verwettet, dass es nicht ewig so bliebe.
Sie hätte Blumen kaufen sollen. Dann hätte es ausgesehen, als ob ihr etwas an ihnen läge. Es lag ihr wirklich etwas an ihnen. Möglicherweise nicht genug.
»Ich bin auf dem Weg nach Hause«, sagte sie. »Entschuldige.«
»Du hast doch jetzt keinen Dienst mehr, oder?«, sagte er langmütig.
»Es ist etwas dazwischengekommen.«
»Wo bist du? Du bist in Livingston, oder? Du sitzt in deinem Wagen vor dem Haus dieser Frau, oder? Du bist besessen, Liebling.«
»Nein, bin ich nicht.« Aber sie war es, und wie. »Und sie heißt Alison, nicht ›diese Frau‹.«
»Entschuldige. Er ist längst über alle Berge. Needler wird nicht zurückkommen.«
»Doch, das wird er. Wetten?«
»Ich wette nicht.«
»Du bist Ire, natürlich wettest du. Ich bin gleich zu Hause. Tut mir leid«, fügte sie sicherheitshalber hinzu. Sie schienen viel Zeit damit zu verbringen, sich beieinander zu entschuldigen. Vielleicht war das gut, es bewies, dass sie Manieren hatten.
Alison Needlers Vorhang öffnete sich ein paar Zentimeter, und ihr Gesicht tauchte auf, blass und körperlos, Zigarettenrauch um ihren Kopf wie eine Aura. Früher hatte sie vor den Kindern nicht geraucht, früher hatte sie überhaupt nicht geraucht, sie hatte einst ein normales Leben, Teilzeit in der Verwaltung der Napier-Universität, drei Kinder, Mann, hübsches Haus in Trinity, nicht diesen langweiligen grauen Kieselrauhputz und Müll im Nachbargarten. Natürlich war nichts normal, es sah nur normal aus. Gewöhnlich.
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