Lebenslügen / Roman
eine Ruth unter ausländischen Mittelklasseähren.
Statt direkt in die Küche zu gehen, lief sie nach oben in ihr Schlafzimmer (ihr gemeinsames Schlafzimmer) und holte die Ringe aus dem Safe. Den Safe hatte die Versicherung vorgeschrieben, weil der Ring so wertvoll war. Als sie die Versicherung wechselte, bestand die neue Gesellschaft darauf, dass sie ein Überwachungssystem und einen Safe einbauten. »Wegen dem Ring, Mrs. Brennan«, sagte das Mädchen am anderen Ende der Leitung. Louise war nie zuvor »Mrs. « genannt worden und konnte die Menge Galle nicht fassen, die ihr bei diesem Wort in den Körper schoss, und um die Sache noch schlimmer zu machen, sprach das Mädchen sie auch noch mit Patricks Nachnamen an, als wäre sie sein Hab und Gut. Sie wunderte sich über Frauen, die ihren Namen änderten, wenn sie heirateten, der eigene Name war etwas sehr Nahes. Manchmal hatte man nicht mehr als seinen Namen. Joanna Hunter änderte ihren Namen, als sie heiratete, aber in ihrem Fall leuchtete das ein, oder? Sie konnte sich an ihren Doktortitel klammern, um sich eine Identität zu geben. An Joanna Hunters Stelle hätte Louise ihren Namen lange vor der Heirat geändert. Sie hätte nicht ewig als das kleine, in dem verdammten Weizenfeld verschwundene Mädchen bekannt sein wollen. Louises Kindheit war nicht gerade idyllisch gewesen, aber um vieles besser als die von Joanna Hunter.
»Ich bin Kriminalhauptkommissarin Monroe«, sagte sie kalt zu dem Mädchen von der Versicherung. »Nicht Mrs. Brennan.«
Erst später fand Louise heraus, dass Patrick den Diamanten mit investiertem Geld aus Samanthas Lebensversicherung gekauft hatte. Ein wahrer Blutdiamant.
Sie trug den großen Diamanten nicht oft, nur gelegentlich, wenn sie ausgingen. Er ging mit ihr aus, ins Theater, in Restaurants, in die Oper, in Konzerte, zu Dinnerpartys – sogar, Gott steh ihr bei, zu Wohltätigkeitsveranstaltungen, bei denen die Reichen und Reicheren für zweitausend Pfund an einem Tisch freundschaftlich miteinander verkehrten. Kilts und Ceilidh, Louises Vorstellung von der Hölle. Dennoch, ihr wurde dabei klar, wie klein ihr Leben zuvor gewesen war, Archie, Arbeit, Katze, nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge. Ihre Katze war jetzt tot, und Archie hatte die Flügel ausgebreitet. »Lebe dein Leben, Louise«, sagte Patrick, »erdulde es nicht nur.«
Ihren Ehering trug sie auch nicht. Patrick trug seinen. Er erwähnte den nicht getragenen Ehering und den Diamanten im Safe nie. Wenn Louise abends im Bett lag, sah sie die Ringe im Dunkeln funkeln, auch wenn der Safe geschlossen war. Das Band aus Gold. Das Band um ihr Herz. Herz der Finsternis. Immerwährende Finsternis.
Es hatte einst einen anderen Mann gegeben. Einen Mann, mit dem sie sich hätte vorstellen können, Seite an Seite zu stehen, einen Waffenbruder, aber sie hatten sich so keusch verhalten wie die Protagonisten in einem Roman von Jane Austen. Nur Verstand und kein Gefühl, überhaupt keine Überredung. Sie hatte gelegentlich noch Kontakt zu Jackson, aber er führte zu nichts, weil es nichts gab, wozu er hätte führen können. Seine Freundin war schwanger gewesen, und keiner von beiden hatte in den gelegentlichen, betrunkenen, nächtlichen SMS etwas über die Konsequenzen gesagt. Dann hatte ihn die schwangere Freundin fallengelassen und ihm mitgeteilt, dass das Kind nicht von ihm war, und über die Konsequenzen daraus hatten sie auch nichts gesagt. Vielleicht war nur Louise betrunken gewesen. Sie trank nicht viel, nicht wirklich (»Nur an Tagen mit einem ›t‹«), sie würde nie den gleichen Weg gehen wie ihre Mutter, doch bevor sie Patrick kennenlernte, freute sie sich manchmal auf eine Weise auf den ersten Drink des Abends, die über eine angenehme Vorfreude hinausging. Jetzt trank sie nach Patricks zivilisiertem System, ein oder zwei Gläser guten Rotwein zum Essen. Gut so, betrunken war sie gefühlsduselig.
Patrick glaubte an die gesundheitsfördernden Eigenschaften des Rotweins. Er hielt sich an die »Rotwein-Diät«, kaufte kistenweise französischen Wein, der ihn unsterblich machen würde. Er ging in der Woche fünfmal morgens schwimmen, spielte zweimal Golf, hatte jeden Tag eine positive Einstellung. Es war, als lebte sie mit einem Außerirdischen, der tat, als wäre er ein Mensch.
Er sorgte sich auch um ihre Gesundheit (»Hast du jemals daran gedacht, Yoga zu machen? Tai-Chi? Etwas Meditatives?«). Er wollte nicht ein zweites Mal zum Witwer werden. Ein Arzt, der
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