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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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bestickten Deckchen und ein Edelstahlbesteck, zu dem sie jeden Monat ein Teil hinzukaufte. Alles für ein Leben, das nie kam. Es schien alles so lange her, nicht nur Niamh, sondern alle Mädchen, die bestickte Deckchen und Kästen mit Besteck sammelten. Wo waren sie jetzt?
    Die meisten Menschen trugen ein paar Fotoalben durchs Leben, aber in Tessas Wohnung in Covent Garden hatte er kein einziges Foto gefunden. Ihre Eltern waren tot, bei einem Autounfall ums Leben gekommen, aber es gab keine Anzeichen, dass sie jemals existiert hatten. Nichts aus ihrer Kindheit, keine Andenken an die Vergangenheit. »In der Arbeit lebe ich in der Vergangenheit«, sagte sie. »Mein Leben möchte ich in der Gegenwart verbringen. Und Ruskin sagt, dass jeder übertriebene Besitz uns müde macht, und er hat recht.«
    Das Spartanische an Tessas Make-up fand er attraktiv, besonders nach Julia, einer Frau mit einer Vorliebe fürs Rokoko, ein Thema, zu dem sie ihm einmal einen unterhaltsamen Vortrag gehalten hatte, inklusive Sex (typisch Julia). Julia war viel gebildeter, als sie sich anmerken ließ. Tessa wäre von Julia verwirrt gewesen, hätte sie sie gekannt. So wie die Dinge lagen, war sie indifferent, »deine Ex«, kein Interesse, keine Eifersucht (aber was, wenn sie von dem Baby wusste?). Tessa hatte etwas erfrischend Neutrales. Er hätte nie gedacht, dass er »neutral« bei einer Frau für eine positive Eigenschaft halten würde. Da sah man mal wieder.
    Sie kannten sich seit vier Monaten, seit zwei Monaten waren sie verheiratet. Mit Josie war er über zwei Jahre verlobt gewesen, bevor sie heirateten, er hatte also keinen persönlichen Beweis, dass ein langes Werben die Grundlage einer langen Ehe war. (»Ach, ich glaube, wir waren lange genug verheiratet«, sagte Josie.) Dennoch war diese plötzliche, impulsive Heirat völlig untypisch für ihn. »Nein, war es nicht«, sagte Josie, »du warst schon immer der treuliebendste aller Männer.« »Nein, war es nicht«, sagte Julia, »du wolltest mich unbedingt heiraten, und stell dir vor, was für eine Katastrophe das gewesen wäre.« Denn ich bin immer lüstern und verbuhlt und kann nicht leben ohne Weib. Er war weder lüstern noch verbuhlt (das dachte er zumindest), aber die Ehe war ihm stets als idealer Zustand erschienen. Der Garten Eden, das verlorene Paradies.
    »Du bist nicht wirklich ein guter Ehemann«, sagte Josie. »Du hältst dich nur für einen.« »Du bist ein Einzelgänger«, sagte Julia. »Du kannst es nur nicht zugeben.« Josie und Julia lebten unbehaglich in seinem Kopf, verschmolzen zu der Stimme seines Gewissens, Zwillingsengel, die sein Verhalten kommentierten. »Heirate in Eile«, sagte Josies Stimme. »Bereue mit Muse«, schloss Julia.
    »Was für ein Tag ist heute?«, fragte er die Polizistin.
    »Freitag.«
    Tessa landete am Sonntagmorgen in Heathrow. Bis dahin, wenn nicht früher, wäre er zu Hause. Er würde sie wie versprochen vom Flughafen abholen. Es war gut, wenn ein Mann ein Ziel hatte, es war gut, wenn ein Mann wusste, wohin er wollte. Jackson wollte nach Hause.
     
    Sie hatten sich auf einer Party kennengelernt. Jackson ging nie zu Partys. Es war die geringste aller Chancen, ein Zusammentreffen von Planeten, ein Kräuseln der Zeit.
    Er war seinem alten Befehlshaber in der Militärpolizei über den Weg gelaufen, ausgerechnet in der Regent Street – wiederum kein endroit, an dem Jackson sich für gewöhnlich aufhielt. Die Schicksalsgöttinnen hatten seine Zeit genommen, als er die Regent Street überquerte, aber diesmal mit positivem Ausgang.
    Sein alter Boss war ein etwas schurkenhafter Typ namens Bernie, den Jackson seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte. Außer der Arbeit hatten sie nie viel gemein gehabt, aber sie hatten sich gut verstanden, und Jackson war überrascht, dass er sich über diese unerwartete Begegnung so freute, und als Bernie sagte, »Hör mal, nächste Woche schauen ein paar Leute auf einen Drink vorbei, ganz entspannt, warum kommst du nicht auch?«, war er zuerst versucht gewesen, die Einladung anzunehmen, bis er schließlich doch absagte, woraufhin Bernie eine Charmeoffensive startete, die sich letztlich als unwiderstehlich erwies. Im Rückblick war ihm klar, dass es nicht so sehr die Freude gewesen war, Bernie zu treffen, als vielmehr die unerwartete Erinnerung an ein Leben, das jetzt verloren war, zwei Soldaten, die in Erinnerungen an die Vergangenheit schwelgten.
    Zwei Dinge erstaunten ihn. Das erste war Bernies Wohnung in

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