Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)
Schönheitszirkus ein ziemlich gefährliches Unterfangen. Niemand kann wissen, ob die »Schönheit«, die man sich beim Schönheitschirurgen herstellen ließ, morgen noch als schön gilt. Außerdem herrschen inzwischen gleichzeitig gegenläufige Schönheitsideale. Schlank gilt nach wie vor als schön. Mannequins sehen oft erbarmungswürdig verhungert aus und wirken irgendwie geheimnisvoll traurig. Auch hier ist von Lebenslust keine Spur. Man könnte vermuten, die Förderung eines solchen Frauenideals sei eine subtile Form der Frauenfeindlichkeit. Das Schlankheitsideal hat übrigens die verheerende Folge der Zunahme von Anorexie, von Magersucht, einer zu einem erschreckenden Maß tödlichen Erkrankung junger Mädchen. Schönheit ist wie die Gesundheit im Letzten ein Geheimnis, das nicht herstellbar ist und das man vor allem nicht einfach mit einem Begriff – zum Beispiel »schlank« – definieren kann. Wenn einmal die verhängnisvolle Gleichung gilt »schlank = schön«, dann gibt es kein Halten mehr, dann wäre Schönheit machbar, dann ist immer schlanker immer schöner – bis zum Tod. Das ist zumindest ein Aspekt dieser nur schwer verständlichen Erkrankung. Zugleich gibt es aber einen Kult um so genannte »Busenwunder«. Das sind in aller Regel keine Naturwunder, sondern Siliconprodukte. Hier soll nun plötzlich die simple Formel gelten: je mehr Busen, desto schöner. Auch eine solche Definition führt in die Katastrophe. Die weltweit wie eine Jahrmarktsensation herumgereichte Frau, die sich den überdimensioniertesten Busen der Welt hatte herstellen lassen, war nicht schöner geworden, sondern immer absurder und brachte sich schließlich um.
Die Karosserieschlosser der herstellbaren Schönheit sind die Schönheitschirurgen, die eilfertig herstellen, was man bei ihnen nach Katalog bestellen kann. Sie sind unermüdlich, machen, was man machen kann, korrigieren Korrekturen. Schließlich werden die Narben doch früher oder später offensichtlich. Darüber gibt es dann Skandalsendungen im Fernsehen. Dabei sind Narben keine Nebenwirkungen von chirurgischen Manipulationen der Haut, sondern deren unvermeidliche Wirkungen. Am Ende bleiben mehrfach recycelte, erbarmungswürdig vernarbte Schönheitschirurgieruinen zurück. Es geht eben nicht wie beim Auto, wo je nach Mode der alte Ottomotor in eine neue schnittige Blechhaut gesteckt wird.
Nichts gegen eine schöne Verpackung, aber es ist doch etwas irritierend, dass beim Homo sapiens sapiens Schönheit heute ausschließlich von der Verpackung her beurteilt wird. Die ist aber leider gar nicht besonders haltbar. Wann ist der Mensch überhaupt schön? Kinder sind anfangs häufig hässlich, fast immer süß, aber selten schön. Jugendliche haben meistens Pickel. So ab 18 ist man dann, wenn überhaupt, schön – bis 23, denn dann beginnt medizinisch bereits der Abbau überhand zu nehmen. Was die Haut betrifft, lässt sich das Problem zusammenfassen unter dem Thema Falten: Ab 30 werden die Falten verhindert, ab 40 verdeckt, ab 50 übersehen, ab 60 bedauert und ab 70 missmutig ertragen. Wäre Schönheit für die Lebenslust wirklich bedeutsam, dann wäre das Ergebnis erschütternd: Im Alter zwischen 18 und 23 wäre im besten Fall von unbelasteter Schönheit auszugehen. Dummerweise ist das aber das Alter, in dem der Liebeskummer die Lebenslust erheblich beeinträchtigt. Dennoch ist bei vielen Menschen das ganze Leben der Hautpflege gewidmet. Daher merke: Das Projekt Schönheit ist bezüglich der Lebenslust ziemlich mühsam und das Ergebnis ist ausgesprochen unbefriedigend.
Dennoch boomt der Markt. Rücksichtslos wird die fixe Idee kultiviert, alle müssten so aussehen wie zwischen 18 und 23. Da man den Schwindel aber letztlich zumeist doch merkt, wird gerade durch den Kontrast zwischen Utopie und Wirklichkeit die Malaise umso deutlicher. Die vergebliche Sehnsucht nach ewiger Schönheit wird multipliziert mit der Sehnsucht nach ewiger Jugend und heraus kommt – eine sorgfältig geplante Frustration. Ältere Damen ziehen Kleider an, die an jungen Mädchen berückend aussehen müssten, lassen sich »jugendliche« Lockenfrisuren aufreden und ziehen mit mächtigem Schmuck die Blicke auf Stellen, die einer so genauen Betrachtung lieber entzogen geblieben wären. Schon frühzeitig begibt man sich auf tatsächlich so genannte »Schönheitsfarmen«, die in Zeiten der Vogelgrippe von der industriellen Haltung von Legehennen auf Schönheit umgestellt haben. Selbstverständlich
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