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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Lütz
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Steigerung des Lebensaltersdurchschnitts. Auch das verdient Anerkennung. Je mehr akute Krankheiten freilich erfolgreich bekämpft werden, desto mehr chronische tauchen naturgemäß auf. So verlängert sich durch manche Leistungen der modernen Medizin am Ende des Lebens allenfalls der Schatten der Gesundheitsgesellschaft im Pflegeheim.
    Und wie steht es schließlich mit dem Projekt der Herstellung von Unsterblichkeit? Die Sehnsucht danach ist ungebrochen. Kampagnen »gegen den Krebs« haben nach wie vor Konjunktur. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ist freilich das Ansinnen, eine Gruppe von Krankheiten unter dem Signum »Krebs« zu bekämpfen, unsinnig. Es gibt ganz verschiedene Erkrankungen, die der Volksmund unter »Krebs« zusammenfasst, und ganz verschiedene therapeutische Strategien dagegen. Mancher »Krebs« ist heute bereits gut heilbar, ein anderer ist nach wie vor eine, wie man sagt, tödliche Erkrankung. »Den Krebs« wird man wohl nie völlig besiegen, denn das Phänomen ist eine Weise pathologischen Alterns von Zellen. Aber um derart nüchterne Bestandsaufnahmen geht es bei Kampagnen »gegen den Krebs« auch nicht. Das Pathos, von dem gerade solche Veranstaltungen getragen werden, lebt letztlich von der Anstrengung aller Kräfte zur Bekämpfung des Todes und von der Sehnsucht nach dem Sieg über ihn.
    Doch aussichtslos ist dieses Unterfangen. Inzwischen hat man die Hoffnung aufs Klonen gerichtet. Freilich lebt kein Mensch auch nur einen Tag länger, wenn sein eineiiger Zwilling – und nichts anderes ist ein Klon – den eigenen Tod überdauert. Der Klon sieht zwar weitgehend genauso aus, ist aber eindeutig jemand anders. Die letzte verzweifelte Hoffnung knüpft sich daher in jüngster Zeit an Verfahren, die den Alterungsprozess verlangsamen und damit das Leben verlängern können. Ob das der Lebenslust dienen wird, ist eher zweifelhaft. Mutmaßlich würde in einer solchen Zukunftsgesellschaft ein flächendeckendes, vernetztes, weitgehend automatisiertes Pflegeheimsystem von einigen Inseln mit »Selbstpflegern« unterbrochen. Das wäre dann das schauerliche Ergebnis einer Lebensverlängerung um jeden Preis. Die Apokalypse der Gesundheitsreligion zeigt ein heilloses Bild ohne Horizont.
    Und am Ende aller vergeblichen Versuche, aller enttäuschten Hoffnungen, aller ernüchterten Schwärmereien der Gesundheitsreligion dringt aus der ratlosen Stille leise der tiefe Satz des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard ans Ohr: »Der Spaß, eines Menschen Leben für einige Jahre zu retten, ist nur Spaß. Der Ernst ist selig sterben.«
    Hinter den gewaltigen seelenlosen Verdrängungsapparaturen des medizinischen Getriebes erscheint das öde und leere Gesicht eines Gesundheitswesens, das zum Eigentlichen des Lebens, zu Heil und Seligkeit, zum Sinn der menschlichen Existenz, nichts zu sagen hat, absolut nichts. Kalt und herzlos stehen sie da, die Kultobjekte der Gesundheitsreligion. Die unaufhaltsame Entwicklung hat zu einer medizinischen Überversorgung und einer emotionalen Unterversorgung geführt. Und gesund fühlt sich niemand mehr. Die grenzenlose Heilssehnsucht, die die Menschen im Gesundheitsbereich ausleben, hat zu einer totalen Pathologisierung der Gesundheitsgesellschaft geführt. Und weil die Hilfen, die die moderne Medizin zur Verfügung stellen kann, auch nicht annähernd den religiös überkochenden Sehnsüchten entsprechen, hat das Ergebnis mit Lebenslust nicht das Geringste zu tun. Das Ergebnis ist vielmehr die vollständige Frustration.

B. Lust zu leben – die Rettung der Gesundheit
    D as ist nun endgültig die Stelle, an der man die Fanfare des christlichen Sonntagsredners erwartet. Hier bietet sich doch offensichtlich der ideale Ansatz, all den tief gebräunten Markenartikelträgern, die den Sonntag nicht dem Kirchgang, sondern der Wellness widmen, einmal so richtig die Meinung zu sagen – in christlicher Milde natürlich, eine gewisse Schadenfreude züchtig unterdrückend, aber mit dem Brustton desjenigen, der am Schluss eben doch Recht behält. Mit dem Leben im irdischen Jammertal hat man ja wohl auch so seine Schwierigkeiten, aber beim Sterben, da ist man außer Konkurrenz. Und was man dem gesundheitsbetonten Markenartikelträger mit milder Stimme um die Ohren hauen möchte, ist der Satz: »Wer sich nur auf das körperliche Wohlbefinden konzentriert, der muss sich eben nicht wundern, dass er scheitert.« Denn der vergängliche Körper sei doch nichts anderes als eine sterbliche

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