Lebenssonden: Roman (German Edition)
Schöpfer und ihre weit verstreuten Sonden auf der Suche nach solch einem Phänomen den Himmel abgesucht. Jedoch vergeblich – bis im menschlichen Jahr 2065 n. Chr., als sie sich gerade dem Sonnensystem näherte, die Hyperwellendetektoren an Bord der Lebenssonde 53935 anschlugen. Eine intensive Strahlungsquelle, die ziemlich genau die hypothetischen Eigenschaften des »Kielwassers« eines Sternenschiffs erfüllte, war im Procyon-System nur zwölf Lichtjahre von Sol entdeckt worden. Der uralte Traum der Schöpfer schien endlich wahr zu werden!
Aber es gab ein Problem.
Die mühsame Beschleunigung auf die Reisegeschwindigkeit von dreißigtausend Kilometern pro Sekunde war die Sonde in Bezug auf Brennstoff teuer zu stehen gekommen. Und die Verlangsamung der wilden Jagd am Ende der Reise würde noch mehr kosten, sodass die Tanks praktisch leer waren. Die Sonde hätte dann keine Brennstoffreserven mehr für eine Kursänderung.
Sorgfältig wägte sie ihre Optionen ab. Um Procyon sicher zu erreichen, war eine Reise in zwei Etappen erforderlich. Die erste Etappe verlangte einen Stopp im Sonnensystem, um den Brennstoffvorrat zu ergänzen und eine allgemeine Überholung des müden Mechanismus durchzuführen. Sobald die Sonde die Weltraumtüchtigkeit wiedererlangt hatte, würde sie direkt Kurs aufs Procyon-System nehmen. Die Reise würde zwar länger als ein Jahrhundert dauern, aber für eine zehntausend Jahre alte Maschine wäre eine solche Reise nur eine Spritztour.
Also schuldete die Menschheit ihre erste Visitation von den Sternen nicht eigener Leistung, sondern der Tatsache, dass die Erde ein natürliches Etappenziel auf dem Weg zu interessanteren Zielen war.
Chryse Haller saß an der Steuerung des gemieteten Ausflugsboots und verzehrte das Sandwich, das sie sich in der winzigen Kombüse hinter dem Steuerraum gemacht hatte. Sie hatte Henning’s Roost vor zweiundfünfzig Stunden verlassen und verzögerte schon für die Begegnung, als die leise Musik, die das Abteil erfüllte, vom Computer des Schiffs unterbrochen wurde.
»Wir werden angefunkt.«
Chryse war plötzlich hellwach und beugte sich vor. »Den Rufer identifizieren«, befahl sie.
»Automatisierte Wachstation, Abteilung Denkmalschutz Nummer 7155.«
»Auf Lautsprecher schalten.«
… ACHTUNG. ACHTUNG. SIE NÄHERN SICH DEM SPERRGEBIET EINES UNTER DENKMALSCHUTZ STEHENDEN HISTORISCHEN MONUMENTS. SIE WERDEN HIERMIT GEBETEN, SOFORT ABZUDREHEN. EINE ZUWIDERHANDLUNG KANN ZIVIL- ODER STRAFRECHTLICHE FOLGEN FÜR SIE HABEN. ACHTUNG …
»Sendung bitte.«
»Sendebereit.«
»Achtung, Wachstation 7155. Hier spricht Chryse Lawrence Haller, Ident MZH-93587116. Ich widerrufe Ihre Warnung. Gehen Sie auf Standby.«
»BEFEHL ERHALTEN UND BESTÄTIGT. RÜCKKEHR AUF STANDBY. BITTE BEACHTEN SIE, BÜRGERIN HALLER, DASS IHRE AKTIVITÄTEN INNERHALB DER GRENZEN DIESES GESCHÜTZTEN HISTORISCHEN DENKMALS ÜBERWACHT WERDEN. JEDER VERSUCH, DAS DENKMAL ZU BESCHÄDIGEN ODER ZU VERUNSTALTEN, WIRD SOFORT AN DIE ERDE GEMELDET.«
»Verstanden.« Chryse rief die Bibliotheksfunktion des Computers auf. »Suchbegriff: Lebenssonde, Visitation derselben. Bezugsdatum: einundzwanzigstes Jahrhundert.«
»Daten liegen vor.«
»Zeig mir ein Bild.«
Ein durchscheinender schwarzer Würfel mit dreißig Zentimeter Kantenlänge materialisierte vor ihr. Das Innere wurde von einem mächtigen Raumfahrzeug angefüllt; es bestand aus zwei Sphären mit je zweihundert Metern Durchmesser, die durch eine lange Zentralröhre miteinander verbunden waren. Eine als STEUERSEKTION ausgewiesene Sphäre war ein Gitterrohrrahmen aus schlanken Streben, die im vertrauten Muster geodätischer Linien angeordnet waren. Es klafften Lücken in der Sphäre, aus denen Ausrüstung und Maschinen hervorlugten, doch sonst war sie intakt. Aus der Sphäre ragte eine Anzahl langer Ausleger, die in unregelmäßig geformten Messinstrumenten ausliefen.
Chryse verlagerte ihre Aufmerksamkeit auf die mit AN-TRIEBSSEKTION etikettierte Sphäre und ließ den Blick über die vollen achthundert Meter der Sonde schweifen. Eine Reihe zylindrischer Tanks war am Schubrahmen zwischen den zwei großen Sphären befestigt. Die Antriebs-Sphäre im Heck der Sonde war viel massiver als die Steuer-Sphäre am Bug. Die Verstrebungen waren dicker und vermittelten den Eindruck schierer Kraft. Und die Sphäre selbst war viel dichter mit Maschinerie angefüllt. Chryse erkannte einen bauchigen Massekonverter und die vertraute Form eines elektromagnetischen
Weitere Kostenlose Bücher