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Lebenssonden: Roman (German Edition)

Lebenssonden: Roman (German Edition)

Titel: Lebenssonden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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ihrer Einsamkeit bewusst wurde.
    »Status-Check«, meldete der Computer des Ausflugsboots sich über Kopfhörer. In seiner metallischen Stimme schwang Unbehagen mit.
    Nachdem sie ihrem mechanischen Kindermädchen versichert hatte, dass alles in Ordnung war, richtete Chryse die Aufmerksamkeit auf den massiven Mechanismus unter ihren Füßen. Sie spähte nach unten in die Tiefen der offenen Sphäre und fühlte sich für einen Moment wie ein Bauarbeiter in den oberen Etagen eines Wolkenkratzers. Sie brauchte eine Weile, um sich zu orientieren.
    Als Erstes fiel ihr auf, dass die Kollision mit den I-Massen nicht für den ganzen Schaden verantwortlich war. Hier und da waren in scheinbar unbeschädigte Strukturen Breschen geschlagen worden, die nicht hätten sein sollen. Dann wurde sie sich jedoch bewusst, dass diese Löcher von den Bergungsoperationen herrührten, die fast fünfzig Jahre nach der Zerstörung der Sonde durchgeführt worden waren.
    Sie beendete die Besichtigung und warf einen Blick auf das Ausflugsboot. »Ich gehe rein. Ich will wissen, wie es unten am Sitz der Hauptpersönlichkeit aussieht.«
    »Ich rate dringend davon ab!«
    »Einwand zur Kenntnis genommen. Ich werde vorsichtig sein.«
    Chryse befreite sich von den Sicherungsleinen und betätigte mit dem Kinn einen Schalter im Helm. Zwei Joysticks wurden aus dem Rückentornister ausgefahren und bogen sich über ihre Schultern. Sie betätigte beide. Ein leises Zischen überlagerte das Summen des Umweltkontroll-Systems, und sie bewegte sich über die Wölbung der Steuer-Sphäre zu einem Riss im Gitterrohrrahmen, der sich bis ins Zentrum der Struktur zu erstrecken schien.
    Sie brauchte zehn Minuten, um sich ins Innere der Sonde vorzuarbeiten. Das Kabelgewirr und das verbogene Metall hatten Ähnlichkeit mit den Bäumen eines dichten Walds. Auf dem Weg ins Innere durchquerte sie abwechselnd Bereiche hellen Sonnenlichts und immer tieferer Finsternis. In dem Maß, wie die Sichtverhältnisse sich verschlechterten, verspürte Chryse zunehmendes Unbehagen: das Vermächtnis Tausender Ahnengenerationen, die sich vor dem Einbruch der Dunkelheit fürchteten. Sie spielte schon mit dem Gedanken umzukehren, als ihr ein Lichtfunke ins Auge stach.
    Die Angst wich schnell der Neugier. Sie düste weiter und geriet in einen verirrten Sonnenstrahl, der ins Innere des Kolosses eindrang. Der Lichtpunkt erlosch. Sie ging weiter und wurde durch einen bunten Blitz auf dem Helmvisier belohnt. Sie streckte den Arm aus, stieß den armierten Handschuh in einen Spalt, der von den ausgefransten Enden von Verstärkungsfasern umgeben war, und zog einen mit Facetten besetzten Kristall aus seinem Sitz.
    Chryse hielt den Kristall dicht an die Augen und lachte hohl. Das Mysterium war kein Mysterium mehr – nur ein ganz gewöhnliches Speichermodul. Das Medium, in dem die riesige Bibliothek des Schöpfer -Wissens gespeichert und die funktionale Basis fast aller elektronischen Geräte, die in den letzten drei Jahrhunderten im Sonnensystem erfunden worden waren.
    Sie legte den Kristall vorsichtig in die Gürteltasche, als plötzlich eine mechanische Stimme aus dem Kopfhörer plärrte:
    … ACHTUNG. ACHTUNG. SIE NÄHERN SICH DEM SPERRGEBIET EINES UNTER DENKMALSCHUTZ STEHENDEN HISTORISCHEN MONUMENTS. SIE WERDEN HIERMIT GEBETEN, SOFORT ABZUDREHEN. EINE ZUWIDERHANDLUNG KANN ZIVIL- ODER STRAFRECHTLICHE FOLGEN FÜR SIE HABEN. ACHTUNG …
    »Was zum Teufel?«, rief sie und vergaß ihr Souvenir. Dann bekam sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle und verfluchte sich wegen dieser Überreaktion. »Diese Idioten im The Roost müssen jemanden auf mich angesetzt haben, der mich beobachtet!«
    Sie zog die Möglichkeit in Betracht, dass das Management von Henning’s über sie wachte und runzelte dann die Stirn. Das war unwahrscheinlich. Eine solche Geste wäre sogar für sie übertrieben gewesen. Es konnte natürlich ein Tourist sein, aber der Umstand, dass sie die Warnung gehört hatte, bedeutete, dass sie in der falschen Richtung für ein Schiff von der Erde ausgestrahlt wurde.
    Sie drehte sich vorsichtig um und ging den Weg zurück, den sie gekommen war. Fünf Minuten später befand sie sich wieder am Außenrahmen der Sonde. Sie beschirmte die Augen und verrenkte sich im Helm den Hals auf der Suche nach Anzeichen für das Schiff, das den Alarm der Wachstation ausgelöst hatte.
    »Status-Check!«, befahl sie.
    Zum ersten Mal, seit sie die Luftschleuse des Ausflugsboots verlassen hatte, hielt der Computer sich

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