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Lebenssonden: Roman (German Edition)

Lebenssonden: Roman (German Edition)

Titel: Lebenssonden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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Weltraummonteur, der – mit einem kompletten Jahreslohn in der Tasche im The Roost angekommen – zehn Tage geblieben und total pleite wieder abgereist und trotz allem noch des Lobes voll gewesen war. Es sprach für das Unterhaltungsprogramm, das von Henning’s Management geboten wurde, dass die Story überwiegend als durchaus glaubhaft akzeptiert wurde. Zumal sie tatsächlich stimmte.
    Dennoch langweilte sich Chryse Haller.
    Vor zwei Wochen war Chryse im The Roost angekommen, um dort ihren ersten Urlaub seit Jahren zu verbringen. Sie hatte sich sofort ins Getümmel gestürzt und alle Vergnügungen ausprobiert, die nicht gerade der Gesundheit schadeten, hatte also chemin de fer, Blackjack, Poker, Roulette und Sieben-Karten-Stapo auf den Spieldecks gespielt. Später hatte sie sich als Zenturio einer römischen Legion auf dem Sensie-Gamer -Deck gemeldet und war zwei Tage durch die feuchte Kälte des simulierten Galliens gestapft. Ihr erster Kampf überzeugte sie davon, dass der Unterschied zwischen antiker Kriegsführung und einem modernen Fleischereifachgeschäft im Wesentlichen eine Sache der Einstellung ist, und sie hielt Ausschau nach neuen Ablenkungen.
    Sie widmete sich dem traditionsreichsten Sport, den The Roost zu bieten hatte, und begab sich dabei in überwiegend männliche Gesellschaft – vom Touristen bis zum Profi. Am Vorabend hatte sie am nächtlichen Gelage auf dem Beta-Deck teilgenommen. Das war ein Fehler gewesen. Sie knüpfte Kontakt mit einem stattlichen jungen Mann, dessen einziges Bestreben war, sie zu erfreuen. Und doch verlor sie trotz der gedämpften Beleuchtung, des intensiven Dufts nach Räucherwaren und des warmen Glühens zweier Drinks im Bauch zunehmend das Interesse. Es hatte damit geendet, dass sie simulierte Wolken betrachtete, die über einen simulierten Himmel jagten. Dann entschuldigte sie sich und ging vorzeitig.
    Kein Zweifel: Lotusblüten zu essen verlor mit der Zeit auch seinen Reiz.
    Chryse saß allein in einer Frühstücksnische, spielte mit einer Obstschale und sinnierte über den seltsamen Gefühlszustand, in den sie gefallen war. Ihr Spiegelbild starrte sie aus den polierten Tiefen des Tischs missmutig an. Das Bild war das einer Frau Anfang dreißig – blond, mit schulterlangem Haar, das ein breites, ehrliches Gesicht einrahmte. Die Augen über hohen Backenknochen standen weit auseinander, die Nase war fast ein Näschen, und ein Mund verzog sich verdrießlich. Die Augen schienen im simulierten Mahagoni des Tisches braun, waren in Wirklichkeit aber grün.
    »Einen Zehntel Stellar für deine Gedanken.«
    Chryse schaute auf und sah Roland Scott vor sich stehen. Roland war Mitglied ihres Abschnitts im Feldzug gewesen. Sie hatten zusammen »ausgemustert«, und sie hatte ihn sich in derselben Nacht zum Liebhaber genommen. Er hatte ihrer Seele gut getan, und sie hatten drei wundervolle Tage zusammen verbracht, bevor sie zu ihrer – gelinden – Enttäuschung entdeckte, dass er ein Roost -Angestellter war.
    »Hallo, Roland.«
    »Warum so bedrückt?«
    »Bin wohl nur etwas müde.«
    »Kann ich irgendetwas für dich tun?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Für meine Beschwerden gibt es leider keine Medizin. Du darfst dich aber trotzdem setzen, wenn du magst.«
    Er ließ sich das nicht zweimal sagen und nahm ihr gegenüber im Separee Platz. »Vielleicht würde es helfen, darüber zu sprechen.«
    Sie lächelte ihn matt an, erkannte sie doch seine automatische Reaktion auf eine berufliche Herausforderung. Doch Roland sorgte sich wirklich. Er wurde bezahlt , um sich zu sorgen. Natürlich war das ein Teil des Problems. »Es ist dieser Ort.«
    »Was ist damit?«
    »Er deprimiert mich.«
    Sein Gesicht nahm einen Ausdruck der Überraschung an. »Das hört der Big Boss aber gar nicht gern. Er hat nämlich Milliarden ins The Roost gesteckt. Niemand soll hier unglücklich sein – am allerwenigsten Chryse Lawrence Haller.«
    »Du hast nicht zugehört. Ich sagte nicht, dass ich unglücklich bin. Ich sagte, ich bin deprimiert. Das ist eine ganz andere Befindlichkeit.«
    »Wenn du es sagst.«
    »Sieh dich doch mal um, Roland. Was siehst du?«
    »Was sollte ich denn sehen?«
    »Hast du dir deine Kundschaft eigentlich schon mal näher angeschaut?«
    Er ließ theatralisch den Blick durchs Restaurant schweifen. »Also, ich habe sie mir angeschaut.«
    »Du hast hier einen repräsentativen Querschnitt der Menschheit. Beide Geschlechter, alle Figuren und Größen, jede Hautfarbe. Dennoch haben wir trotz

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