Lebensversicherung (German Edition)
Prime Time Live eine Dokumentation über den Kauf und Verkauf von
menschlichen Organen von Gefangenen, welche in China hingerichtet werden,
sendete, gab Wolf ein Statement an die Presse. Er forderte den Präsidenten und
das FBI auf, die Sache zu untersuchen, da er davon ausgehen musste, dass
amerikanische Staatsbürger an diesem Handel beteiligt sind. Er argumentierte, dass
Bundes- und Staatsgesetze dadurch verletzt wurden.
Es wird tatsächlich von einem Transplantationstourismus
gesprochen. Bis heute ist, soviel ich weiß, nichts geschehen.
Schmid hielt einen Moment inne. Ich glaubte, er wollte uns
alles möglichst eindringlich erklären.
- Lasst mich weit ausholen. Wir haben ja Zeit. Geh´ mal ins
Internet und such´ unter den Stichworten `Exekution und Transplantation´. Da
kriegst du alles.
In der ZEIT stand ´97 ein Bericht von Erich Schuh, dass in
China Hingerichtete als Organlieferanten missbraucht werden. Er schreibt, dass
´96 mindestens 4367 Menschen hingerichtet wurden. Genickschuss. Peng. Karl hat
es gesehen. Und du hast auch im STERN darüber gelesen? Ja?
Ich nickte, und Charlie sah mich an.
- Du wusstest davon?
- Ja, und nein. Habe mich nicht weiter damit beschäftigt.
Erst, als Karl mir davon erzählte, erinnerte ich mich wieder. Man verdrängt so was.
Charlie schüttelte den Kopf. Sie hätte sich gekümmert.
Schmid fuhr fort.
- Schuh referiert eine Bestandsaufnahme von David Rothman. Er
ist Professor für Sozialmedizin an der New Yorker Columbia Universität und
erhebt ´97 in einem Artikel in The Sciences schwere Vorwürfe gegen das
Transplantationswesen in China. Ich habe ihn gelesen!
Rothman verfolgt seit Jahren das weltweite Problem des
Organmangels in der Transplantationsmedizin und wundert sich, woher die
Tausende von Nieren kommen, die in China transplantiert werden. Es werden auch
Herzen entnommen. Er weist daraufhin, dass Organspenden nach konfuzianischem
und buddhistischem Glauben nicht möglich sind, da Leichen intakt bleiben
müssen, und fragt sich gleichzeitig, wieso dann Ausländer nach China reisen, um
sich Organe transplantieren zu lassen.
Schmid schaute uns an, als sollten wir seine Frage
beantworten.
- Rothman baut seine Indizienkette schlüssig auf. Natürlich
ist das ein Riesengeschäft, Devisen kommen ins Land. Rothman stellt die Erfahrung
eines US-Chirurgen vor, der einer Einladung zur Herztransplantation nach China
folgen wollte. Dieser fragte, ob während seines Aufenthalts auch ein Herz zur
Verfügung stehen würde, und man versicherte ihm, dass eine Exekution arrangiert
werden würde.
Bei dem Wort Exekution setzte sich Schmid aufrecht hin.
- Schau mal in das Journal of Chinese Organ Transplantation.
Als Todesursache von Spendern wird fast ausschließlich eine große offene
Schädelwunde angegeben.
Schmid sah uns an.
- Nicht wahr, da bleibt alles heil. Das Herz, die Nieren,
alles. Nur der Kopp is´ hin. Für die Augen führen sie ´was anderes ein. Wegen
der Hornhäute. Ich komm´ noch drauf.
Charlie und ich konnten uns denken, was er meinte.
- Aber Schuh schreibt weiter. In offiziellen Gesetzestexten
Chinas steht, dass bei Exekutionen gelegentlich willentlich gepfuscht wurde, um
den Körper des Opfers länger funktionstüchtig zu halten. Du weißt ja, dass
bereits nach einigen Minuten fehlender Durchblutung irreversible Schäden an den
Organen eintreten. Eine Übertragung ist dann sinnlos. Es soll sogar eine
Aussage geben, dass eine Konterrevolutionärin ´78 bei lebendigem Leibe nach
Kopfschuss ausgeweidet wurde. Bei Karls Todeskandidaten geht´s ja auch gleich
zur Sache, nicht?
Schmid rümpfte die Nase. Er stand auf, griff über die
Bordwand und holte einen Eimer hoch. Mit seinen hohlen Händen schaufelte er
sich Wasser ins Gesicht.
- Das Problem ist, dass, obwohl Organentnahmen von
Hingerichteten nach Ansicht vieler Fachleute ethisch unvertretbar sind, eben
diese sich ein Hintertürchen offen lassen: bei Zustimmung ist es okay!
Wie aber soll man sich vorstellen, dass ein Verurteilter
wenige Stunden oder Minuten vor seiner Hinrichtung seine Zustimmung bei freiem
Willen und ohne Druck geben kann?
Schmid sah uns fragend an, obwohl sich eine Antwort
erübrigte.
- Die Chinesen machen es sich noch einfacher. Sie sagen,
Schwerverbrecher haben das Recht auf Leben und Menschenwürde verwirkt. Die
Menschenrechte sind also auf sie nicht anzuwenden. Basta.
Erich nickte.
- Ich habe einen Artikel von Amnesty International im
Internet gelesen. Darin werden
Weitere Kostenlose Bücher