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Lebkuchen und Bittermandel

Lebkuchen und Bittermandel

Titel: Lebkuchen und Bittermandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Schulter. »Reden Sie weiter.«
    Til kostete den Moment seines großen Auftritts aus und gab sein Wissen nur bröckchenweise preis: »Matthias war schon immer ein helles Köpfchen. Aber eben nicht hell genug, um es zu etwas Vernünftigem zu bringen. Er tat sich schwer beim Promovieren. Es wollte ihm einfach nicht gelingen. Und, wie soll ich sagen? Plötzlich hatte er dann doch seinen Doktortitel.«
    »Und?«, mischte sich Paul erneut ein. »Warum erzählst du uns das?«
    »Weil …«, Til grinste nun noch breiter, »… weil er seine Dissertation abgekupfert hat! Abgeschrieben! Die ganze Arbeit von vorn bis hinten ein einziges Plagiat! Niemand wusste davon. Außer Jakob, der ihn überhaupt erst auf die Idee gebracht hatte.«
    Katinka sah Til forschend an. »Niemand?«, fragte sie dann scharf. »Sie wissen es doch auch. Ein so gut gehütetes Geheimnis, wie Sie andeuten, scheint es ja doch nicht gewesen zu sein. – Oder verbreiten Sie hier etwa nur unbestätigte Gerüchte? Dann lassen Sie das gleich morgen früh Ihren Anwalt wissen, damit er Sie vor einer Strafanzeige wegen übler Nachrede bewahrt.«

13
    Aufgewühlt, geradezu hektisch, verließ Katinka die zum Verhörraum umfunktionierte Erkernische, dicht gefolgt von Paul. Sie steuerte geradewegs auf eines der Butzenscheibenfenster abseits des Erkers zu, riss es auf und beugte sich vor. Paul stellte sich neben sie und ließ seinen Blick über die weiß gepuderte Dächerlandschaft des Burgbergs gleiten, die, vom Mond beschienen, tiefen Frieden und vorweihnachtliche Harmonie ausstrahlte. Die Luft war kühl und trocken und tat nach dem hinter ihnen liegenden Verhörmarathon gut.
    »Mein lieber Paul«, redete Katinka in die Stille hinein, »was hast du bloß für Freunde? Das ist ja ein Ausbund an Feindseligkeiten, Hetztiraden und Unterstellungen.«
    Paul neigte dazu, ihr nach den Ereignissen des heutigen Abends zuzustimmen, nahm seine ehemaligen Schulkameraden aber zumindest pro forma in Schutz: »Ist es nicht ein ganz natürliches Verhalten, dass man versucht, seine Haut zu retten, wenn man in Bedrängnis gerät?«
    »Indem man seine Freunde in die Pfanne haut?«, fragte Katinka zweifelnd.
    »Na ja, so kannst du das nicht sehen: Die meisten von uns treffen sich nur dieses eine Mal im Jahr. Wir haben uns wohl im Laufe der Zeit stärker auseinandergelebt als vermutet und wissen im Grunde genommen nur noch sehr wenig voneinander.«
    »Es reicht immerhin dafür, um die persönlichen Schwächen der anderen sehr gut zu kennen und sie mir gegenüber ohne jeden Skrupel preiszugeben.« Sie legte Zeige- und Mittelfinger ihrer rechten Hand an ihre Schläfe, als sie sagte: »An Einzelmotiven scheint es nicht zu fehlen. Bei der Suche nach Gemeinsamkeiten kristallisiert sich aber eines besonders heraus.«
    »Was meinst du?«, fragte Paul.
    »Immerhin wisst ihr alle von einem kollektiven, dunklen Geheimnis. Ich sage nur: Zermatt.«
    Paul sah sie gequält an. »Katinka, mess dem bloß keine allzu große Bedeutung bei. Das Wühlen in der Vergangenheit soll dich wahrscheinlich nur ablenken. Eine falsche Fährte.«
    »Meinst du?« Katinka sah ihn resolut an. »Wie hast du denn das damals erlebt? Du bist doch auch dabei gewesen, hältst dich jetzt aber verdächtig zurück.«
    »Verdächtig würde ich das nicht nennen. Das Ganze ist halt ewig her, und ich möchte nicht durch blindes Herumstochern in trüben Erinnerungen dazu beitragen, dass unsinnige Zusammenhänge konstruiert werden. Glaub mir: Der Tod von Jakob hat rein gar nichts mit unserem Skiurlaub in der Schweiz zu tun.«
    Mit einem kräftigen Ruck zog Katinka das Fenster wieder zu. »Ich bin anderer Ansicht. Bevor wir die Verhöre fortsetzen, lasse ich Kommissarin Stahl und einen der beiden Schutzpolizisten, die ich an der Tür postiert habe, Jakobs Zimmer durchsuchen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er dieses Buchmanuskript, auf das er so stolz war, bei sich hatte, um damit vor seinen alten Kumpels zu prahlen. Es muss also irgendwo versteckt sein. Vielleicht hat er es ja auf einem USB-Stick gespeichert, den die Spurensicherer beim ersten Mal übersehen haben.«
    »Du glaubst ernsthaft an den großen Enthüllungsroman?« Paul konnte seine Skepsis nicht überspielen.
    »Vieles spricht dafür, ja. Vielleicht hat Jakob mit dem Buch sein schlechtes Gewissen besänftigt, das seit Zermatt auf ihm lastete, – und dabei Namen anderer Beteiligter genannt, die der Veröffentlichung nun mit allen Mitteln entgegenwirken wollen.«
    »Okay,

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