Lebkuchen und Bittermandel
Anschließend musste der Täter oder die Täterin nur noch dafür sorgen, dass Jakob den präparierten Lebkuchen in die Hände bekam. Auch das ließ sich im allgemeinen Getümmel sicherlich ohne große Schwierigkeiten bewerkstelligen.«
Während Katinka und Paul durch ihren Küchenbesuch wenigstens eine Wissenslücke schließen konnten, hatte Jasmin Stahl keinen Erfolg zu vermelden: Auch die zweite Durchsuchung von Jakobs Zimmer war erfolglos geblieben.
In Paul keimte der Verdacht auf, dass der Täter sich das belastende Manuskript längst selbst geschnappt hatte.
15
Verhörprotokoll Nr. 6,
Samstag, 18. Dezember, 23.15 Uhr
Befragt wurde Herr Ulrich S.
Verhör geführt durch Frau Oberstaatsanwältin K. Blohm
Protokollführer: Herr P. Flemming
Rechtsbelehrung erfolgt
Herr S., sehen Sie sich in der Lage für dieses Verhör? Sie wirken in Ihrer Aufnahmebereitschaft etwas beeinträchtigt.
Ulrich S.: Klar, ich bin in der Lage. Warum auch nicht. Nur weil ich ein paar Bierchen mehr intus habe als der Rest der Meute? Glauben Sie mir: Ich kann was vertragen.
Trinken Sie regelmäßig?
Ulrich S.: Geht es hier um einen Mordfall oder meine Gesundheit? Aber was soll’s. Ja, ich trinke regelmäßig. Gern und viel. Sehr viel. Was bleibt mir anderes übrig in meinem Leben. Ist doch alles den Bach hinuntergegangen. Von Anfang an.
Sie haben eine unglückliche Ehe hinter sich, habe ich erfahren.
Ulrich S.: Unglückliche Ehe ist gar kein Ausdruck. Es war die Hölle auf Erden. Diese Frau hat mir ihren Willen aufgezwungen, im gemeinschaftlichen Gewaltakt mit ihrer ganzen Familie. Sie ist eine von drei Töchtern, die hässlichste noch dazu. Die brauchten einen Deppen, der für sie den väterlichen Bauernhof fortführt. Also habe ich mich vor den Karren spannen lassen und den Deppen für sie gegeben.
Mit Verlaub; In Deutschland sind Zwangsehen nicht zulässig.
Ulrich S.: Sehr witzig. Ich war damals blutjung, hatte gerade das Abi in der Tasche. Wollte auf die Uni, etwas Technisches studieren. Ingenieur wäre mein Traumberuf gewesen.
Aber?
Ulrich S.: Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Mit Frauen lief das bei mir ganz schlecht in den jungen Jahren. Ich habe also nicht lange gefackelt, als sich mir endlich mal eine Gelegenheit bot. Ja, und dann war es zu spät. Schwangerschaft schon nach dem ersten Mal. Ich war der totale Loser.
Es hätte schon damals die Möglichkeit zur Verhütung gegeben.
Ulrich S.: Nun reicht’s aber, Frau Staatsanwältin. Ich bin vielleicht blau, aber nicht blöd. Wollen Sie aus meinem privaten Pech ein Mordmotiv basteln? Dann bin ich gespannt, warum ich meinen Frust ausgerechnet am kreuzbraven Jakob ausgelassen haben sollte.
Vielleicht war er ein Zufallsopfer. Vielleicht haben Sie in blinder Wut auf das Leben an sich nach willkürlicher Rache gesucht. Sie wollten jemanden aus ihrer früheren Clique dafür töten, dass es allen anderen besser ergangen ist als Ihnen.
Ulrich S.: Ist das … – ist das Ihr Ernst? Ich meine: Das ist ziemlich krass, was Sie hier abziehen. Ich dachte, hier geht es nur um eine Zeugenvernehmung?
Es ist nur eine Theorie, die ich in Betracht ziehen muss. Denn permanente Frustration, gepaart mit Alkoholmissbrauch, birgt das Potenzial für exzessive Gewaltausbrüche. Außerdem sagt man, dass Sie eine Schwäche für Glücksspiele haben und daher knapp bei Kasse sind …
Ulrich S.: Glücksspiele? Aber das ist kalter Kaffee, damit habe ich nichts mehr am Hut. – Ach, Sie haben gehört, dass Jakob mir mal aus der Klemme geholfen hat, ja? Ich versichere Ihnen, ich habe ihm das Geld zurückgezahlt, auf Heller und Pfennig. Mich werden Sie nicht als Mörder hinstellen! Ich bin es nicht gewesen! Bestimmt nicht! Jakob war ein netter Kerl.
Einer, der ebenfalls unter einer unglücklichen Liebe gelitten hat.
Ulrich S.: Jakob? Sie spielen auf das Gerede um Sonja an. Da steckt nichts dahinter. Das wurde ihm immer nur nachgesagt.
Ich spiele auch auf seine homosexuellen Neigungen an. Angeb l ich gab es eine sexuelle Beziehung während der Schulzeit.
Ulrich S.: Jakob soll schwul gewesen sein? Das höre ich heute zum ersten Mal. Nein, nein, ich sage Ihnen mal was: Jakob hat an etwas völlig anderem gelitten als an irgendeinem Beziehungsstress. Er hat es nie verwunden, wie sich seine Freunde nach dem Unfall damals in Zermatt verhalten haben. Die Sache mit Torben wurde einfach totgeschwiegen. Ein Tabuthema.
Die fehlende Aufarbeitung eines Traumas? glauben Sie, der
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