Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebkuchen und Bittermandel

Lebkuchen und Bittermandel

Titel: Lebkuchen und Bittermandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
Vom Netzwerk:
Skiunfall hat ihn tatsächlich so nachhaltig und andauernd bewegt? Oder handelte es sich gar nicht um einen Unfall, sondern um einen Mord?
    Ulrich S.: Nein, es war ein Unfall. Zumindest habe ich nie etwas anderes erfahren. Aber vielleicht hätte Torben am Unfallort noch geholfen werden können, wenn seine Kumpels nicht einfach weitergefahren wären. Wir ich schließe mich da mit ein – haben viel zu lange gezögert und zu spät die Bergwacht alarmiert. Unser alter Lehrer Klugmann, der ja damals dabei gewesen war, sieht das übrigens ähnlich. Aber auch er redet nicht gern darüber.
    Herrn Klugmann werden wir als Nächstes verhören. Ich werde diesen Punkt ihm gegenüber ansprechen. Vielen Dank, Herr S.
     
    »Schießt du nicht übers Ziel hinaus, Kati?«, fragte Paul, als sie wieder unter sich waren. »Ulrich hatte nicht ganz unrecht mit seiner Bemerkung: Das sind doch nicht mehr bloße Zeugenbefragungen, sondern knallharte Verhöre.«
    »Überlass das mir, Paul. Ich habe jeden Einzelnen darauf hingewiesen, dass er ohne Rechtsbeistand nichts zu sagen braucht. Wenn mir die Leute trotzdem antworten, geschieht dies freiwillig. Und ich werde ihren Redefluss ganz gewiss nicht unterbrechen.«
    »Wenn du meinst …«, sagte er. Nachdem Katinka daraufhin ungewöhnlich lange schwieg, erkundigte er sich: »Was denkst du?«
    Sie sah ihn müde an. »Was ich denke? Zum einen, dass mir allmählich die Puste ausgeht. Ich brauche dringend ein paar Stunden Schlaf.« Sie gähnte herzhaft. »Und zum anderen denke ich, dass wir nun ein ganzes Bündel vielversprechender Hinweise zusammengeschnürt haben.« Sie nannte Jakobs Schwärmerei für Sonja ebenso wie seine angebliche Homosexualität. Außerdem zählte sie den Skiunfall in den Schweizer Bergen auf und die Tatsache, dass lediglich vier Personen unmittelbar daran beteiligt gewesen waren. »Was mir noch fehlt, ist ein Bild von Torben. Das meine ich wörtlich: Ich möchte wissen, wie er ausgesehen hat. Was er für ein Typ gewesen ist.«
    »Ein Bild von Torben?«, fragte Paul erstaunt. »Ich könnte ihn dir beschreiben, wenn das wichtig für den Fortschritt deiner Ermittlungen ist. Doch was soll dir das bringen?«
    »Vielleicht den entscheidenden Hinweis«, meinte Katinka geheimnistuerisch. »Danke für dein Angebot, aber das reicht mir nicht. Ich muss dieses Gesicht selbst vor Augen haben. Ich werde gleich ein Foto anfordern, dann habe ich es morgen früh auf meinem iPhone.«

16
    Paul sah deutlich die Ringe unter Katinkas Augen, auch er selbst fühlte sich müde und ausgelaugt. Daher nahm er es mit Erleichterung auf, als Katinka verkündete, die Befragungen vorerst auszusetzen und erst am nächsten Morgen damit fortzufahren.
    Die meisten Gäste reagierten ähnlich erleichtert wie Paul und machten sich gähnend auf den Weg in ihre Zimmer. Für diejenigen, die eigentlich nicht für eine Übernachtung vorgesehen gewesen waren, machte Marien auf die Schnelle einige Kammern im Dachgeschoss zurecht.
    Nur zweien ging die angeordnete Nachtruhe gegen den Strich: Lehrer Klugmann beschwerte sich höflich aber entschieden darüber, dass er bereits so lange darauf gewartet habe, seine Aussage zu Protokoll zu geben. Und Til drohte abermals mit der fürchterlichen Rache seines Anwalts und dem damit einhergehenden Karriereende von Katinka, sollte die »Scharade«, wie er es abfällig nannte, nicht bald beendet sein.
    Katinka blieb beharrlich, so dass keine 20 Minuten später tiefe Stille im Goldenen Ritter einkehrte. Paul war so frei und schlüpfte bei ihr mit unter die Decke.
     
    Sehr bald schlief er ein und träumte von Lebkuchen, die eine Skipiste herunterrollten, dabei immer mehr Schnee ansammelten und zu gigantischen weißen Bällen heranwuchsen. Wie eine Lawine rasten sie auf den Goldenen Ritter zu. Paul war der Einzige, der die drohende Gefahr erkannte, denn alle anderen schliefen ja. Er musste sie warnen! Er musste Alarm schlagen!
    Doch offenbar gab es noch einen anderen hellen Geist, der laute Schreie ausstieß. Gellende Schreie, die jeden noch so tief Schlafenden wecken mussten.
    Erst als er selbst wach wurde, irritiert zwinkerte und sich die Augen rieb, wurde ihm klar, dass diese Geräusche nicht zu seinem Traum gehörten. Dass sie von außen in seine Gedankenwelt eingedrungen waren.
    Er wandte sich zur Seite. Dort lag Katinka unter ihrer dicken Daunendecke und schlummerte friedlich.
    Paul lauschte angestrengt in die Nacht. Nun war es wieder mucksmäuschenstill.
    Hatte er sich die

Weitere Kostenlose Bücher