Lee, Julianne
aber so rot leuchtete wie der Rock eines Dragoners.
»O Gott! Ciaran! « Vorsichtig hob sie seinen Kopf aus dem Schmutz, in dem er lag, und stellte entsetzt fest, dass er dort ebenfalls blutete. Sie begann leise zu wimmern. Tränen rollten ihr über Wangen, versiegten aber, als sie sah, dass er noch atmete, langsam und flach zwar, aber seine Brust hob und senkte sich, und seine Haut wirkte nicht so grau wie die seiner toten Kameraden. »Ach, Ciaran!«
Als sie wieder aufblickte, stellte sie fest, dass einige Rotröcke
sich ihr näherten. Das riss sie aus ihrer Erstarrung. Sie musste verhindern, dass sie Ciaran töteten.
Rasch löste sie seinen Gürtel und streifte ihm den verräterischen Kilt ab.
»Sein Dolch!«, zischte die Fee. »Nehmt seinen Dolch zu Hilfe!«
Sie entdeckte ein kleines Messer in einer Scheide unter dem Schaffell, das er um sein Schienbein gebunden hatte, riss es heraus und schnitt ihm die Gamaschen von den Beinen. Dann zog sie ihm die Rehlederschuhe und die karierten Strümpfe aus und schleuderte beides so weit von sich wie möglich. Danach schlitzte sie sein Hemd auf der Brust und an den Ärmeln auf, um es unter ihm hervorzuziehen. Ein weiteres Messer war an seinem Arm festgeschnallt. Sie machte es los und schob die kleine Waffe in ihr Mieden Nun war Ciaran splitterfasernackt; nichts wies mehr darauf hin, auf welcher Seite er in der Schlacht gekämpft hatte.
Einen Moment lang betrachtete sie das klaffende rote Loch in seiner Brust, direkt über seinem Herzen. Noch immer sickerte Blut heraus. Wie konnte ein Mensch mit einer solchen Wunde überhaupt noch atmen?
Doch als sie aufblickte, stockte ihr vor Schreck der Atem. Ihr Vater kam direkt auf sie zugeritten. Er hielt sein Schwert in der Hand, ein harter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, und um seinen Mund spielte ein so grausames Lächeln, dass sie beinahe Abscheu vor ihm empfand. Da er ihr Gesicht unter der Kapuze nicht sehen konnte, musste er sie für eine Schottin halten. Flüchtig erwog sie, sich zu erkennen zu geben, aber sie wusste, dass er Ciaran vielleicht trotzdem töten würde. Nein, berichtigte sie sich in Gedanken, er würde ihn mit Sicherheit umbringen, wenn er erfuhr, dass sie auf das Schlachtfeld gekommen war, um ihn zu suchen. Das durfte sie nicht zulassen, egal was Vater ihr auch antun mochte. Sie ließ sich auf die Knie sinken und beugte sich über Ciaran, sorgsam darauf bedacht, sein Gesicht zu verdecken.
»Och«, wimmerte sie mit dem schottischen Akzent, den sie den Bewohnern von Glen Ciorram abgelauscht hatte. »Och, m'ann-
sachd! M'annsachd! Tha gaol agam ort! Tha gaol agam ort! Och, m'annsachd!« Immer wieder wiederholte sie unter Schluchzen die einzigen gälischen Worte, die sie kannte, dabei horchte sie auf den Hufschlag des Dragonerpferdes. Er verstummte ganz in ihrer Nähe, dann hörte sie das metallische Klirren, mit dem ihr Vater seinen Säbel aus der Scheide zog. Leah begann zu weinen. Sie fürchtete einen Moment lang, er würde sie tatsächlich töten, Doch dann entfernte sich der Hufschlag wieder. Sie wartete, die Arme schützend um Ciaran geschlungen, bis ihr Vater fort war und sie sich wieder sicher fühlte.
»Schnell! Ihr braucht ein Pferd, oder wollt Ihr ihn selbst von hier forttragen?«
Die Stimme der Fee riss sie aus ihrer Versunkenheit und erinnerte sie daran, dass es jetzt Wichtigeres zu tun gab, als trüben Gedanken nachzuhängen. Sie blickte sich suchend um. Ganz in ihrer Nähe entdeckte sie ein Pferd, das nicht lahmte und auch sonst unversehrt schien. Langsam ging sie auf das Tier zu und packte die Zügel. Es folgte ihr widerstandslos zu der Stelle, wo Ciaran lag.
Leah war zwar größer als die meisten Frauen, aber sehr schlank und nicht sehr kräftig. Ciaran dagegen war ein hoch gewachsener, muskulöser Mann. Auch wenn er erschreckend abgemagert war, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, brachte sie es kaum fertig, ihn vom Boden hochzuzerren. Doch plötzlich schien er leichter und leichter zu werden, und sie konnte ihn mühelos auf das Pferd heben. Die Fee schwirrte mit wild schlagenden Flügeln über ihm und hob sein Bein über den Sattel. Gemeinsam setzten sie ihn so zurecht, dass sein Kopf neben dem Hals des Tieres baumelte. Er sah aus, als wäre er tot. Leah griff wieder nach den Zügeln. »Nehmt seinen sporran mit. Und sein Schwert und den Dolch.« Hastig griff sie nach dem Gürtel, an dem Ciarans sporran hing, hob ihren Überrock und schnallte ihn darunter fest. Dann schob sie den
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