Lee, Julianne
Dolch in den Gürtel und ließ den Rock wieder fallen. Das Schwert wanderte in seine Scheide zurück, sie schlang sich
das Wehrgehenk über die Schulter und bedeckte es mit ihrem Umhang, der allerdings nicht lang genug war, um das Schwert ganz zu verbergen. Die Spitze lugte unter dem Saum hervor. Dann nahm sie das Pferd am Zügel und führte es davon.
»Nicht in die Büsche! Geht die Straße entlang, als ob Ihr nichts zu fürchten hättet!«
Die Fee hatte Recht. Die Soldaten machten mit jedem, den sie verdächtigten, mit den Jakobiten zu sympathisieren, kurzen Prozess. Wenn sie den Anschein erweckte, sie sei vor ihnen auf der Flucht, lud sie sie geradezu ein, sie und Ciaran zu töten. Also drehte sie sich um und ging auf die Straße zu, die quer durch das blutgetränkte Schlachtfeld verlief und nach Nairn führte.
Doch am Straßenrand trat ein Soldat auf sie zu und hob drohend sein auf die Muskete aufgeschraubtes Bajonett.
»Keinen Schritt weiter!«, fauchte Leah, ehe der Mann näher kommen konnte, denn sie fürchtete, er könne sie umbringen, ohne vorher Fragen zu stellen, wie es schon sein Kamerad mit der unglücklichen Frau auf dem Schlachtfeld getan hatte. Ihr fiel ein, wie Ciaran ihr erklärt hatte, dass man andere Menschen allein durch seine Sprechweise manipulieren konnte, und so bediente sie sich eines geschliffenen, hochnäsigen Londoner Oberklassenakzents, der sogar dem Sohn des englischen Königs Ehre gemacht hätte. »Was untersteht Ihr Euch?«
Der Rotrock geriet sichtlich außer Fassung. Er ließ seine Muskete sinken. »Äh, Miss...«
Leah funkelte ihn zornig an. »Wie könnt Ihr es wagen, mich mit diesem... diesem Ding da zu bedrohen? Wenn mein Vater von Eurer Unverschämtheit erfahrt, wird das Folgen für Euch haben, das versichere ich Euch. Dabei versuche ich doch nur, die sterblichen Überreste meines gefallenen Verlobten zu bergen.« Ein paar Tränen glitzerten in ihren Augen. Der Soldat lief vor Verlegenheit hochrot an. Leah holte zum nächsten Schlag aus. »Er war meine einzige große Liebe. Sein Tod hat mir das Herz gebrochen. Er hat sein Leben für den König gegeben, und das mindeste, was
ich noch für ihn tun kann, ist, ihm ein christliches Begräbnis zu verschaffen. Und was tut Ihr? Statt mir zu helfen, bedroht und beleidigt Ihr mich!« Sie begann bitterlich zu schluchzen, senkte den Kopf und nutzte die Verwirrung des Soldaten, um ihren Weg fortzusetzen und ohne sich weiter um den Mann zu kümmern. Die Fee, die auf der Kruppe des Pferdes hockte, bemerkte trocken: »Ich muss mich bei Euch entschuldigen, Miss Hadley. Das war wirklich eine bühnenreife Vorstellung, die Ihr da gegeben habt.«
Leah blickte sich kurz zu ihr um, nickte und konzentrierte sich dann auf den langen, beschwerlichen Weg zurück nach Nairn.
17. KAPITEL
Durch die Schlaufen seines Kilts zog er eine Stahlkette, an der ein kleiner sporran aus schwarzem Kaninchenfell hing. Die Vorderseite war mit einem Muster aus kleinen silbernen Schilden verziert.
Irgendwann während des Heimweges verschwand die Fee. Leah wünschte, sie wäre bei ihr geblieben. Die Anspannung der furchtbaren letzten Stunden machte sich bemerkbar, sie fühlte sich krank und elend und zitterte am ganzen Leib. Seit gestern hatte sie keinen Bissen mehr gegessen. Nur unter Aufbietung all ihrer Willenskraft brachte sie es fertig, überhaupt noch einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Es war schon dunkel, als sie endlich in Nairn ankam. Sie blieb stehen und überlegte, wie sie weiter vorgehen sollte. Sie konnte mit einem nackten Highlander auf einem gestohlenen Kavalleriepferd durch die Straßen der kleinen Stadt wandern. Aber etwas abseits der Straße lag eine halb verfallene, verlassene Torfhütte. Vielleicht konnte sie Ciaran dort verstecken. Der Dachbalken war zwar an einem Ende zusammengebrochen, das Strohdach selbst jedoch mehr oder weniger unbeschädigt. Die Hütte war zudem so stark von Ranken überwuchert, dass sie nur schwer zu finden war. Aus der Entfernung sah sie im Mondlicht eher aus wie ein kleiner, niedriger Hügel. Fast hätte Leah sie selbst übersehen.
Vor einem klaffenden Loch in der Wand, das einst ein Fenster gewesen war, zog sie Ciaran vom Pferd herunter, wobei sie unter seinem Gewicht beinahe zusammengebrochen wäre. Vor Erschöpfung und Frustration traten ihr die Tränen in die Augen, als sie die Arme unter seine Achselhöhlen schob und ihn mühsam zur Hütte schleifte. Sie kam sich vor, als hielte sie den blutigen Kadaver eines
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