Lee, Julianne
Burschen, die hinter Felsen und aus dem Farngestrüpp hervorkamen, als sie Ciaran sahen. Sie scharten sich um ihn, klopften ihm auf den Rücken und schüttelten ihm die Hand. Ciaran sprach jetzt nur noch Gälisch, und alle redeten aufgeregt durcheinander. Der Schmied von Ciorram war da, ein blutiger Verband bedeckte eines seiner Augen, und Ciarans Freund Eóin hinkte stark.
Der junge Robbie hatte sich so stark verändert, dass er fast einem alten Mann glich. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, die Wangen waren eingefallen, und seine Kleider schlotterten ihm am Leib. Er lächelte Ciaran nicht an, sondern umarmte ihn nur kurz und flüsterte ihm etwas zu. Der ernste Junge von früher hatte sich in einen zornigen jungen Mann verwandelt.
Die Gruppe gelangte auf eine kleine Ebene. Zu einer Seite erstreckte sich ein mit Bäumen bewachsener Abhang hinunter zu einem schmalen Bach, zur anderen erhob sich ein steiler Granitfelsen. Einige Frauen kamen aus einer Nische im Felsgestein, als sie die Stimmen der Männer hörten, rieben sich schläfrig die Augen und blickten sich neugierig um. Leah erkannte, dass es sich bei der Nische um eine Höhle handelte, die weit in den Felsen hineinreichte.
Als Sìle ihren Bruder sah, schrie sie auf, raffte ihre Röcke, rannte auf ihn zu und schlang ihm die Arme um den Hals, bevor sie in Tränen ausbrach. Ciaran drückte sie an sich und küsste sie auf die Wange. Auch Kirstie und Mary kamen herbei und umarmten ihn. Lange standen die vier Geschwister so da und spendeten sich gegenseitig Trost.
Die anderen Frauen erkundigten sich unterdessen nach den Männern, die seit der Schlacht nicht mehr gesehen worden waren, und fingen bitterlich an zu schluchzen, als die Antworten ihre letzten Hoffnungen zunichte machten.
Leah hielt sich etwas abseits; wohl wissend, dass sie hier nicht willkommen war. Wenn sie versucht hätte, die trauernden Frauen
zu trösten, wäre das übel aufgenommen worden. Sie war eine Sassunach, und diese Menschen verabscheuten alles, was englisch war. Leah hatte Verständnis dafür. Die Soldaten hatten einen nicht wieder gutzumachenden Schaden angerichtet, ohne Reue oder Erbarmen zu zeigen, und ihr Vater hatte das nicht nur zugelassen, sondern wohl selbst noch den Befehl dazu gegeben.
Daher war jetzt nicht der geeignete Moment, dem Clan mitzuteilen, dass sie ein Kind erwartete, das, falls es ein Junge war, der Nachfolger des Lairds werden würde.
Nachdem die Neuankömmlinge etwas gegessen und ein Quartier für die Nacht zugewiesen bekommen hatten, setzte sich Ciaran mit Robin, Seumas Glas und Robbie an das Feuer in der Mitte der Lichtung, um die Lage zu besprechen. Robbie starrte mit gesenktem Kopf in die Flammen, während er berichtete, wie er mit Dùghlas, Seumas und Robin den Clan in kleinen Gruppen hier in den Hügeln in Sicherheit gebracht hatte, während die Soldaten das Dorf verwüsteten. Immer wieder bat er seinen Bruder um Verzeihung, weil er den Dragonern keinen Widerstand geleistet hatte, und unentwegt versicherte ihm Ciaran, er habe genau richtig gehandelt
Alasdair MacKenzie kam zu ihnen und kauerte sich neben Ciaran auf die Fersen. »Wir können nicht hier bleiben, Ciaran Dubhach.« Ciaran nickte. Alasdair hatte Recht. Für ihn und seine Verwandten war es hier nicht sicher. Niemand war hier sicher. »Wo willst du hin?« »Nach Killilan.«
»Und wenn du dort niemanden mehr vorfindest?« Alasdair wurde bleich. »Dann schlagen wir uns zu irgendeiner Stadt durch. Glasgow vielleicht. Oder wir lassen uns an der Küste nieder. Dort finden wir sicher Arbeit, und so lange wir den Whigs nützlich sind, werden sie uns vielleicht am Leben lassen.«
Ciaran nickte. »Aye. Es ist besser; irgendwie in Schottland sein Dasein zu fristen als nach Amerika deportiert zu werden.«
»Im Augenblick sehe ich da keinen großen Unterschied. So sieht jedenfalls unser Plan aus. Morgen früh beim ersten Tageslicht brechen wir auf.«
Wieder nickte Ciaran. Alasdair wünschte allen eine gute Nacht und ging dann zu seinen Leuten zurück. Ciaran sah ihm mit schwerem Herzen nach. Sein Vater hatte oft behauptet, die Deportation nach Amerika sei kaum besser als der Tod. In der Tat zögerte sie den Tod oft nur ein Weilchen hinaus.
Der alte Robin riss ihn aus seinen Gedanken. Leise begann er zu erzählen, wie es den Clansleuten seit der Flucht in die Berge ergangen war; berichtete von dem Hunger, den sie gelitten hatten, vom Jammern der Frauen und Kinder, von der Trauer um ihre Heime und
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