Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
natürlich gemerkt«, begann Shan im Plauderton, »dass bei der Rückkehr aus dem Hyperraum Alarm ausgelöst wurde. Ich möchte, dass Sie sich eine Aufzeichnung ansehen, damit Sie wissen, was die Pilotin dazu veranlasst hat.« Aus dem Augenwinkel bekam er mit, wie Priscilla zusammenzuckte. Lina streckte die Hand nach ihr aus, und die Terranerin schien sich zu entspannen, obwohl sie eine argwöhnische Miene beibehielt.
»Die Aufzeichnung beginnt zwanzig Sekunden vor dem geplanten Transit. Pilotin Mendoza sitzt an den Steuerkontrollen. Und nun – der Normalraum.«
Die Warnung KOLLISIONSKURS erschien auf dem Schirm, während Priscilla hastig die Schutzschilde hochzog. »Erste Verteidigungsphalanx aktiv.« FEINDSELIGE AKTION »… Zweite Abwehrkette steht, Koordinaten eingegeben, Alarmbereitschaft. Wir warten darauf, dass die Energiespulen sich wieder aufladen. Die Spulen sind heiß gelaufen, und wir sind bereit zum Sprung.« Auf dem Schirm sah man, wie er selbst sich auf den Sitz des Kopiloten warf und die Steuerung übernahm. Dann erstarrte das Bild und verblasste, während gleichzeitig die Beleuchtung im Raum wieder heller wurde.
»Reaktionszeit«, wandte sich Shan an die Piloten, die den Vorgang aufmerksam verfolgt hatten. »Von der ersten Warnung bis zur vollen Verteidigungsbereitschaft: anderthalb Sekunden. Von der vollen Verteidigungsbereitschaft bis zur Einleitung des Sprungs: zwei Sekunden. Vierundzwanzig Sekunden nach dem ersten Alarm tauchte das Schiff erneut in den Hyperraum ein. Wobei das Wiederaufladen der Energiespulen die meiste Zeit in Anspruch nahm.«
Im Raum herrschte Schweigen, während die anwesenden Piloten im Geist den Vorgang durchspielten und die Sekunden zählten.
Seth, der rechter Hand saß, stand auf. Der Captain nickte ihm zu. »Ja?«
»Ich schlage vor, Priscilla Mendoza mit einem Bonus zu belohnen. Sie hat das Schiff gerettet. Die Schüsse waren direkt auf die Triebwerkssektion gerichtet. Wenn sie getroffen hätten, wäre ein verdammt großer Schaden entstanden.«
Seth hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da sprang Rusty auf die Füße. »Ich schließe mich dem an!«
»Ich ebenfalls!«, rief Ken Rik. »Außerdem hat sie Schiffspunkte verdient, Captain. Die Passage steht tief in ihrer Schuld.«
Gil Don Balatin unterstützte die Anträge, wenn auch etwas schüchtern.
Shan nickte. »Irgendwelche Kommentare? Abweichende Meinungen? Diskussionen? Nein? Wer dafür ist, dass Ms. Mendoza eine Belohnung erhält, möge die Hand heben. Erster Maat?«
»Vorschlag einstimmig angenommen, Captain.«
»Das sehe ich. Danke.« Er zückte sein Pad und tippte eine Notiz ein. »Aufgezeichnet und zu den Akten genommen.« Er deutete ein Lächeln an. »Und ebenfalls zwei Punkte Gefahrenzulage für die gesamte Mannschaft, zahlbar in Solcintra. Hat noch jemand etwas hinzuzufügen?«
Niemand meldete sich.
»Ich danke Ihnen. Wegtreten.«
Schiffsjahr 65, Reisetag 155, Dritte Schicht, 14.00 Uhr
I n der Luft lag eine knisternde Spannung, und die kurzen Härchen auf ihren Armen richteten sich auf. Sie hielt den Blick fest auf den Gobelin über der Bar gerichtet.
»Brandy, Priscilla?«
Sie schrak zusammen, dann brachte sie ein Lächeln zuwege. »Ja, Danke.«
»Gern geschehen.« Shan reichte ihr ein Glas und ging an ihr vorbei zu seinem Schreibtisch.
Sie folgte ihm und nahm auf dem rechter Hand stehenden Sessel Platz; die Atmosphäre wirkte immer noch wie elektrisiert.
Der Captain nippte an seinem Glas. »Gordy erzählte mir, Sie hätten ihm beigebracht, sich in einen Baum zu verwandeln«, hob er an. »Nicht, dass ich diese Idee schlecht fände, Priscilla, aber ich frage mich, was seine Mutter wohl sagen wird, wenn ich ihn als grünen Schössling voller Blätter daheim abliefere.«
Sie gluckste leise in sich hinein. »Ganz so drastisch dürfte die Verwandlung nicht vonstattengehen. Im Ernst – Pallin hat Gordy unentwegt gesagt, er solle sich seine Körperkraft als einen Fluss vorstellen. Aber das übersteigt Gordys Fantasie, mit diesem Vergleich kann er nichts anfangen. Er benötigt ein konkreteres Bild, um sich seiner eigenen Stärke bewusst zu werden.«
»Ich verstehe.« In den silbernen Augen lag ein forschender Blick. Er neigte den Kopf. »Es war ein netter Zug von Ihnen, Priscilla. Ich danke Ihnen, dass Sie sich meines jungen Verwandten angenommen haben. Sie sind sehr freundlich.«
Sie vollführte mit der Hand eine Geste, die sie sich von den Lektionen der Unterrichtsbänder abgeschaut
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