Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
einem Erzfrachter.«
»Ja, sicher.« Plötzlich spürte sie, wie ein innerer Friede von ihr Besitz ergriff. Entspannt atmete sie tief durch und trank einen Schluck.
Doch der Captain schien zu erstarren; er schüttelte heftig den Kopf und stand rasch auf. »Ich denke, das Wichtigste haben wir besprochen, Priscilla. Um ein Uhr beginnt Ihre Ausbildung bei Kayzin. Punkt sechs finden Sie sich bei mir auf der Brücke zum Pilotentraining ein. Wenn Sie wach werden, finden Sie eine Kopie Ihres neuen Vertrags auf Ihrem Monitor. Gute Nacht.«
So abrupt hatte er noch nie mit ihr gesprochen; es passte gar nicht zu ihm. Aber vielleicht war er ebenfalls zum Umfallen müde, dachte sie, und entbot ihm ein freundliches Lächeln, als sie sich vor ihm verbeugte.
»Gute Nacht, Captain.« Die Tür schloss sich hinter ihr, und Shan merkte, wie seine Knie unter ihm nachgaben. Er sackte auf den Sessel zurück, stöhnte gequält auf und barg sein Gesicht in den Händen.
Nur mit Mühe riss er sich zusammen, stemmte sich von seinem Platz hoch und ging zu der Tür mit dem roten Diagonalstreifen, hinter der seine privaten Gemächer lagen. Jählings blieb er stehen, machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
Im Bereich der Mannschaftsquartiere war es ruhig, die Beleuchtung gedämpft. Eine Wohltat für seinen schmerzenden Kopf. Instinktiv fand er die Tür, nach der er suchte, und legte seine Hand auf die Sensortafel.
Einen Moment lang überkam ihn ein Anflug von Verzweiflung. Sie war nicht da … Doch endlich glitt die Tür zur Seite. Honigbraune Augen blinzelten ihn verdutzt an. »Shan?« Dann legte sie einen Arm um seine Taille und zog ihn in den Raum hinein. »Mein armer Freund! Was ist passiert? Ahh, Denubia …«
Er ließ es zu, dass sie ihn auf das Bett drückte, legte sein Gesicht in die warme Mulde zwischen ihrer Schulter und dem Hals und fühlte, wie der heilende Prozess einsetzte.
»Sie hat mich ausgesperrt, Lina. Zweimal hat sie mich zurückgewiesen.«
Schiffsjahr 65, Reisetag 155, Vierte Schicht, 20.00 Uhr
D er Vertrag war unmissverständlich abgefasst. Beigefügt war ein Anhang, in dem eine Pauschalsumme festgelegt wurde, die dem Zweiten Maat in Solcintra zustand, außerdem die Formel, nach der der Betrag errechnet wurde. Die exakte Höhe des auszuzahlenden Solds würde sie jedoch erst nach Abschluss der Reise erfahren, wenn etwaige Prämien, Sonderleistungen, Schiffspunkte oder Schulden berücksichtigt werden konnten.
Priscilla drückte ihre Hand gegen den Bildschirm und spürte das leichte Prickeln, als das Gerät den Abdruck registrierte. Ein leiser Piepton zeigte an, dass der Vertrag von ihr akzeptiert und unterzeichnet war.
Sie zog die Hand zurück und ballte sie zu einer lockeren Faust; eine Weile starrte sie auf ihre gekrümmten Finger. Dann lächelte sie, drehte sich um und begann sich anzukleiden.
Die Tür zu Linas Kabine öffnete sich, als Priscilla um die Ecke bog; sie machte größere Schritte.
»Guten Morgen.«
»Priscilla! Schön, dich zu sehen, meine Freundin. Ich dachte schon, ich müsste diese Mahlzeit allein einnehmen, weil ich einfach nicht aus dem Bett kam.«
Der Schlaf hatte ihr gut getan, fand Priscilla. In Lina schien ein Feuer zu glühen; ihre Augen funkelten, die Mundwinkel waren leicht nach oben gezogen, sie strahlte Zufriedenheit aus.
»Du bist wunderschön«, platzte sie heraus und griff nach Linas zierlicher, goldfarbener Hand.
Lina lachte. »Ich widerspreche nur ungern einer Freundin, doch leider muss ich dir sagen, dass ich bei meinem eigenen Volk nur als mäßig attraktiv gelte.«
»Deine Leute müssen blind sein«, meinte Priscilla, und Lina lachte abermals.
»Ich habe gehört, dass du zum Zweiten Maat befördert wirst,« warf Lina vergnügt ein. »Ge’shada, Denubia. Kayzin ist zwar äußerst tüchtig, aber sie hat kein besonders freundliches Wesen. Sie kann sehr kalt und abweisend wirken. Du darfst dir nichts draus machen, so ist sie nun mal.«
»Darüber kann ich hinwegsehen«, erwiderte Priscilla und konnte den Blick nicht von Lina abwenden.
»Schade, dass du jetzt nicht mehr die Zeit haben wirst, regelmäßig den Streichelzoo aufzusuchen«, plapperte Lina wie aufgedreht weiter. »Deine Anwesenheit hat den Bewohnern gut getan. Ich hätte nie gedacht, dass der junge Sylfok sich noch zähmen ließe. Nicht nur mir ist aufgefallen, dass die Tiere jetzt viel ausgeglichener wirken. Nun, erst heute früh sagte Shan …«
Priscilla schnappte nach Luft, als ein
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