Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 2 - Der Agent und die Söldnerin
sah aus, als hantiere er mit irgendwelchen unsichtbaren Mechanismen herum. Nach ein paar Minuten stellte er seine Bemühungen ein, schüttelte den Kopf und richtete sich wieder auf.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Das ist der Lagerraum, nach dem wir gesucht haben«, erklärte er, ohne sich zu ihr umzudrehen. »Aber er ist verschlossen, und ich kann die Öffnungstafel nicht richtig sehen – ständig verändert sie ihre Position.«
Das war absurd! Hinter der Tür befanden sich Lebensmittel, Getränke und Musikinstrumente, er wusste es ganz genau! Und sie hatten keinen Zugriff darauf, weil sein Auge sich dauernd täuschen ließ …
Die Lösung für das Problem formte sich hinter seinen Augen, an der Stelle, die für die Mentalschleife vorgesehen war; dort schwebte sie, umgeben von einer leuchtenden Aura, und erinnerte ihn stark an eine Intuition. Er betrachtete das Muster, und die Tür glitt auf, ohne dass er sie berührt hätte.
Dann stand er da und glotzte.
»Ich wusste gar nicht, dass du so was kannst«, staunte Miri.
»Ich auch nicht«, erwiderte er und trat einen Schritt vor. Die offene Tür zu dem Lagerraum war keine Illusion. Er überquerte die Schwelle.
Einen Moment später stieß sich Miri von der Wand ab und ging ihm hinterher.
Das war ein Fehler. Kaum befand sie sich in dem Raum, da stürmten auch schon alle möglichen Düfte auf sie ein; es roch nach Gewürzen, nach edlen Hölzern, nach Wolle, Minze und Moschus. Zusätzlich zu den optischen Täuschungen, den taktilen Empfindungen und ihrer sinnlichen Erregung nun auch noch das; es war zu viel, viel zu viel.
Sie setzte sich auf das erste Objekt, das aussah, als könnte es real sein. Die Arme fest um die Brust geschlungen, beugte sie sich weit nach vorn, schloss die Augen und schüttelte sich wie ein Kind in einem Fieberschauer.
Sie würde es niemals schaffen. Acht Stunden lang sollte sie das noch durchhalten? Unmöglich!
»Miri. Miri!«
»Was ist?«, flüsterte sie heiser.
»Streck eine Hand aus und nimm das. Miri. Streck eine Hand aus und nimm das! Sofort!«
Sie wusste, er würde nicht eher Ruhe geben, bis sie seiner Aufforderung gefolgt war. Es gelang ihr, einen Arm vorzustrecken, und nach einem schweren Kampf gelang es ihr, die Augen zu öffnen.
Val Con hockte vor ihr auf dem sich in Wellen kräuselnden Boden und hielt ihr eine geöffnete Weinflasche entgegen. Blinzelnd nahm sie ihm die Flasche ab.
»Und was jetzt?«
»Trink.«
»Ich soll trinken? Aus der Flasche?« Ihr Lachen klang selbst in ihren eigenen Ohren schrill, doch jeder Witz war immer noch besser als gar keiner.
»Es war schon schwierig genug, Wein aufzutreiben, deshalb wollte ich keine Zeit mehr mit der Suche nach Gläsern verschwenden«, erwiderte er in sachlichem Ton. »Und jetzt trink.«
Sie schüttelte den Kopf. »Andauernd sagst du mir, was ich tun muss. Du nennst niemals einen Grund, gibst nur Befehle …«
»Alkohol dämpft die Sinneswahrnehmungen«, erklärte er. »Trink den Wein.«
»Fahr zur Hölle!«
Er nahm selbst einen Schluck. »Ich glaube, wenn es hart auf hart kommt, kann ich dir den Wein mit Gewalt einflößen«, meinte er.
»Brutaler Kerl!« Aber sie setzte die Flasche an den Mund, und kippte den Wein herunter wie Kynak, nicht um ihn zu genießen, sondern um sich zu betrinken.
Nach einer Weile hielt sie inne, um Luft zu holen. Sie grinste und schüttelte heftig den Kopf. »Und ich hatte gedacht, du seist jemand, der in den richtigen Verhältnissen geboren wurde.«
Er hob eine Augenbraue. »Was sind denn die richtigen Verhältnisse?«
»Das merkte man erst, wenn man auf der Schattenseite der Gesellschaft groß geworden ist. Dann weiß man nämlich ganz genau, was die falschen Verhältnisse sind.« Sie legte eine Pause ein und trank noch ein paar Schluck. »Ich stamme aus solch einem Milieu – kein Geld, keine Perspektiven, keine Schulbildung, kein Verstand.«
»Aha. Aber du hast durchaus recht, was meine Herkunft betrifft. Der Korval-Clan ist sehr alt; wir hatten viel Zeit, um Reichtum anzuhäufen. Das Geld ermöglichte es mir, exzellente Schulen zu besuchen, die Voraussetzung für eine Ausbildung als Scout.« Er nahm einen großen Schluck aus der Flasche. »Allerdings glaube ich nicht, dass nur die Leute, die in den, wie du es nennst, richtigen Verhältnissen geboren wurden, über Intelligenz verfügen.«
»Soso.« Sie beugte sich nach vorn, was nicht ganz ungefährlich war, obwohl sie nur noch ganz leicht zitterte. »Und nun beantworte mir
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