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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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Könntest du guten Gewissens weiterleben, wenn du einen solchen Menschen getötet hättest? Anden ist einer von den Guten.«
    »Und wenn schon«, entgegnet Day kühl. Er umklammert die Kante der Arbeitsplatte so fest, dass seine Fingerknöchel weiß schimmern. »Gut, schlecht – was macht das für einen Unterschied? Er ist der Elektor.«
    Meine Augen werden schmal. »Siehst du das wirklich so?«
    Day schüttelt den Kopf und lacht freudlos. »Die Patrioten versuchen, eine Revolution loszutreten. Das ist es, was dieses Land braucht – nicht einen neuen Elektor, sondern gar keinen Elektor. Die Republik ist am Boden, da ist nichts mehr zu machen. Sollen die Kolonien das Land doch einnehmen.«
    »Du weißt doch noch nicht mal, wie es in den Kolonien ist.«
    »Ich weiß, dass es da besser sein muss als in dieser Hölle«, faucht Day zurück.
    Ich habe den Verdacht, dass seine Wut im Grunde gar nicht mir gilt, aber so langsam verhält er sich wirklich kindisch und das ärgert mich. »Soll ich dir sagen, warum ich mich dazu bereit erklärt habe, den Patrioten zu helfen?« Ich lege ihm eine Hand auf den Oberarm und fühle die schwache Erhebung einer Narbe unter dem Stoff. Bei meiner Berührung versteift sich Day. »Weil ich dir helfen wollte. Und jetzt tust du so, als wäre das alles meine Schuld. Meine Schuld, dass an deinem Bruder Experimente durchgeführt werden. Meine Schuld, dass du die Patrioten verlassen musstest. Meine Schuld, dass Tess sich geweigert hat mitzukommen.«
    »Nein …« Days Stimme erstirbt und er ringt frustriert die Hände. »Es ist nicht alles deine Schuld. Und Tess … Das mit Tess ist definitiv meine.«
    Ich sehe aufrichtigen Schmerz in seinem Gesicht – doch in diesem Moment weiß ich nicht, wem er gilt. Es ist so viel geschehen. Ich spüre eine seltsame Wut in mir aufsteigen, die das Blut in meinen Ohren rauschen lässt und mich gleichzeitig mit Scham erfüllt. Ich habe kein Recht, eifersüchtig zu sein. Schließlich kennt Day Tess schon seit Jahren, viel länger als mich, warum also sollte er keine Zuneigung für sie empfinden? Außerdem ist Tess so lieb, so selbstlos und hilfsbereit. Ich nicht. Und natürlich ist mir klar, warum Tess ihn verlassen hat. Meinetwegen .
    Ich studiere sein Gesicht. »Was ist zwischen dir und Tess passiert?«
    Gedankenversunken starrt Day an die Wand und ich muss ihn mit dem Fuß antippen, um ihn aus seiner Trance zu wecken. »Tess hat mich geküsst«, murmelt er. »Und sie fühlt sich von mir verraten … deinetwegen.«
    Meine Wangen werden rot. Ich schließe die Augen und schiebe das Bild, wie die beiden sich küssen, beiseite. Das ist doch Quatsch. Oder nicht? Tess kennt Day schon seit Jahren – wenn sie ihn küssen will, geht mich das nichts an. Und hat der Elektor mich nicht auch geküsst? Hat mir das vielleicht nicht gefallen? Anden scheint plötzlich meilenweit entfernt, so als wäre er kein bisschen mehr wichtig. Alles, was ich vor mir sehe, sind Day und Tess. Es ist wie ein Schlag in die Magengrube. Wir stecken hier mitten in einem Krieg. Sei nicht so albern. »Warum erzählst du mir das?«
    »Wäre es dir lieber, wenn ich es vor dir geheim halte?« Er wirkt verlegen und presst die Lippen aufeinander.
    Ich weiß nicht, woran es liegt, aber Day schafft es immer wieder, dass ich mich wie eine komplette Vollidiotin fühle. Ich versuche mir einzureden, dass mir das egal ist. »Tess wird dir verzeihen.« Meine Worte, die weise und tröstlich klingen sollten, wirken hohl und unecht. Den Lügendetektortest während meiner Gefangenschaft habe ich ohne Probleme bestanden – wie kann dieses Gespräch nur so schwierig sein?
    Nach einer Weile sagt Day etwas leiser: »Was denkst du über ihn? Ganz ehrlich?«
    »Ich glaube, er ist vertrauenswürdig«, erwidere ich und stelle überrascht fest, wie ruhig meine Stimme klingt. Das muss die Erleichterung über den Themenwechsel sein. »Ehrgeizig und einfühlsam, auch wenn er dadurch manchmal etwas unpragmatisch ist. Auf jeden Fall ist er kein bisschen der zukünftige brutale Diktator, als den die Patrioten ihn darstellen. Er ist jung und er braucht die Bevölkerung auf seiner Seite. Er ist auf jede Unterstützung angewiesen, die er nur kriegen kann, wenn er etwas verändern will.«
    »June, wir sind gerade ganz knapp den Patrioten entkommen. Willst du etwa sagen, dass wir Anden noch mehr helfen sollen, als wir es schon getan haben? Dass wir weiter unser Leben für diesen reichen Typen aufs Spiel setzen sollen, obwohl du

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