Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
ihn kaum kennst?« Die Verachtung in seinen Augen, als er das Wort reich ausspricht, erschreckt mich – es ist, als würde er damit auch mich beleidigen.
»Was hat denn sein Geld damit zu tun?« Jetzt werde auch ich wütend. »Willst du damit wirklich sagen, du würdest ihn lieber tot sehen?«
»Ja. Ich würde ihn gern tot sehen«, sagt Day mit zusammengebissenen Zähnen. »Und ich hätte kein Problem damit, das auf jedes einzelne Mitglied seiner Regierung auszuweiten, wenn das bedeuten würde, dass ich meine Familie zurückbekomme.«
»Das klingt überhaupt nicht nach dir. Andens Tod würde nichts ändern«, widerspreche ich. Wie kann ich ihm das bloß klarmachen? »Du kannst nicht alle in einen Topf werfen, Day. Nicht jeder, der für die Republik arbeitet, ist automatisch böse. Was ist denn mit mir? Oder mit meinem Bruder, meinen Eltern? Es gibt gute Menschen in der Regierung – und genau das sind diejenigen, die permanente Veränderungen in der Republik durchsetzen können.«
»Wie kannst du diese Regierung verteidigen, nach allem, was sie dir angetan hat? Wie kannst du die Republik nicht am Boden sehen wollen?«
»Tja, das will ich eben nicht«, erwidere ich wütend. »Ich will sehen, wie sie sich zum Besseren verändert. Die Republik hatte anfangs ihre Gründe, so hart durchzugreifen –«
» Moment . Warte mal.« Day hebt die Hände. Seine Augen funkeln vor Wut, wie ich es noch nie gesehen habe. »Sag das noch mal. Na los. Die Republik hatte ihre Gründe ? Das Verhalten der Republik ist also richtig ?«
»Du kennst ja nicht die ganze Geschichte über die Entstehung der Republik. Anden hat mir erzählt, wie das Land sich aus einem Zustand vollkommener Anarchie heraus entwickelt hat und dass die Bevölkerung selbst –«
»Glaubst du denn wirklich alles, was er sagt? Versuchst du mir hier gerade weiszumachen, die Bevölkerung wäre selbst schuld, dass die Republik so ist, wie sie ist?« Days Stimme wird immer lauter. »Dass wir uns diesen ganzen Mist selbst eingebrockt haben? Soll das die Rechtfertigung dafür sein, dass die Regierung die Armen leiden lässt?«
»Nein, ich versuche gar nichts zu rechtfertigen –« Irgendwie hat diese Geschichte wesentlich überzeugender geklungen, als Anden sie erzählt hat.
»Und jetzt denkst du, dass Anden das mit seinen halbgaren Ideen alles wiedergutmachen kann? Dass dieser reiche Junge uns alle retten wird?«
»Hör auf, ihn so zu nennen! Es sind seine Ideen, mit denen er das erreichen kann. Geld bedeutet überhaupt nichts, wenn –«
Day richtet seinen Zeigefinger direkt auf mich. »Sag so was nie wieder. Geld bedeutet alles .«
Meine Wagen röten sich. »Nein, das tut es nicht.«
»Weil du nie ohne welches leben musstest.«
Ich zucke zusammen. Ich will ihm so gern widersprechen, ihm erklären, was ich wirklich damit meine. Geld definiert mich nicht, genauso wenig wie Anden oder irgendjemanden sonst . Warum konnte ich nicht das sagen? Warum ist Day der einzige Mensch, dem gegenüber ich nicht in der Lage bin, ein schlüssiges Argument zu formulieren? »Day, bitte –«
Er springt von der Arbeitsplatte. »Weißt du, vielleicht hatte Tess ja recht, was dich angeht.«
»Wie bitte?«, fauche ich zurück. »Womit soll Tess recht haben?«
»Kann sein, dass du dich in den letzten paar Wochen ein bisschen verändert hast, aber tief im Inneren bist du immer noch eine Republiksoldatin. Durch und durch. Du bist diesen Mördern genauso treu ergeben wie vorher. Hast du vergessen, wie meine Mutter und mein Bruder gestorben sind? Hast du vergessen, wer deine Familie auf dem Gewissen hat?«
Wut kocht in mir hoch. Weigerst du dich eigentlich mit Absicht, die Dinge mal aus meiner Perspektive zu betrachten?
Ich springe von der Arbeitsplatte und baue mich vor ihm auf. »Ich vergesse nie etwas. Ich bin deinetwegen hier, ich habe deinetwegen alles aufgegeben. Wie kannst du es wagen, meine Familie in das hier mit reinzuziehen?«
»Du hast meine Familie da mit reingezogen!«, schreit er. »In das alles hier! Du und deine verdammte Republik!« Day breitet die Arme aus. »Wie kannst du es wagen, sie zu verteidigen und dir irgendwelche Gründe dafür auszudenken, warum sie so ist, wie sie ist? Für dich ist das vielleicht alles einleuchtend, nachdem du dein ganzes Leben in einem von ihren Hochhauspalästen gewohnt hast. Ich wette, du wärst nicht so schnell mit deinem Urteil, wenn du dich damit durchgeschlagen hättest, in den Armenvierteln den Müll nach Essen zu
Weitere Kostenlose Bücher