Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
auch die Seuchenexperimente.« Ich zögere. Day starrt noch immer in die Konservendose, die Gabel in der Hand, doch er isst nicht weiter. »Er will lauter radikale Veränderungen durchführen, aber dafür muss er das Volk für sich gewinnen. Er hat mich praktisch angefleht, damit wir ihm helfen.«
In Days Gesicht zuckt ein Muskel. »Das ist alles? Darum hast du beschlossen, den Plan der Patrioten über den Haufen zu werfen?«, fragt er bitter. »Damit der Elektor mich bestechen kann, um sich so meine Unterstützung zu sichern? Das ist doch wohl ein Witz. Woher willst du denn wissen, ob er die Wahrheit sagt, June? Hast du vielleicht Beweise dafür, dass er Eden freigelassen hat?«
Ich lege die Hand auf seinen Arm. Genau vor dieser Reaktion hatte ich mich gefürchtet, aber er hat schließlich jedes Recht, misstrauisch zu sein. Wie soll ich ihm erklären, was mir mein Bauchgefühl über Andens Persönlichkeit sagt? Welche Aufrichtigkeit ich in seinen Augen gesehen habe? Ich weiß, dass Anden Days Bruder freigelassen hat. Ich weiß es einfach. Aber Day war nicht mit im Zimmer. Er kennt Anden nicht. Er hat keinen Grund, ihm zu trauen. »Anden ist anders. Du musst mir glauben, Day. Er hat Eden freigelassen, und zwar nicht nur, weil er will, dass du etwas für ihn tust.«
Days Worte klingen kühl und distanziert. »Ich habe gefragt, ob du Beweise dafür hast.«
Ich seufze und nehme meine Hand von seinem Arm. »Nein«, gebe ich zu. »Habe ich nicht.«
Day schreckt aus seiner Starre auf und stößt seine Gabel wieder in die Dose. Er tut es mit so viel Kraft, dass sich der Griff der Gabel verbiegt. »Er hat dich getäuscht. Ausgerechnet dich. Die Republik wird sich nicht verändern. Der neue Elektor ist einfach nur jung und ein bisschen zu sehr von sich überzeugt. Der will doch nur, dass die Leute ihn ernst nehmen. Dafür würde er das Blaue vom Himmel herunterlügen. Wenn sich die Lage erst mal ein wenig beruhigt hat, kriegst du sein wahres Ich zu Gesicht, glaub mir. Er ist nicht anders als sein Vater – bloß ein reicher Fatzke mit großer Klappe.«
Es ärgert mich, dass Day mich für so beeinflussbar hält. »Jung und ein bisschen zu sehr von sich überzeugt?« Ich versetze Day einen kleinen Stoß, um die Situation ein wenig aufzulockern. »Das erinnert mich an jemanden.«
Früher hätte das Day zum Lachen gebracht, jetzt aber starrt er mich bloß wütend an. »Ich habe in Lamar einen Jungen gesehen. Er war im selben Alter wie mein Bruder. Ganz kurz habe ich sogar gedacht, es wäre Eden. Er wurde in einem riesigen Glaskasten herumgekarrt wie eine Laborratte. Ich wollte ihn da rausholen, aber ich hab’s nicht geschafft. Sie benutzen das Blut des Jungen als Biowaffe, die sie in den Kolonien einsetzen.« Day wirft seine Gabel in die Spüle. » Das tut dein geliebter Elektor meinem Bruder an. Na, bist du jetzt immer noch so überzeugt davon, dass er ihn freigelassen hat?«
Ich greife nach seiner Hand. »Der Kongress hat Eden an die Front geschickt, bevor Anden Elektor war. Anden hat ihn gestern erst freigelassen. Er ist –«
Day schüttelt meine Hand ab, seine Miene spiegelt eine Mischung aus Frust und Verwirrung wider. Er schiebt seine Hemdsärmel bis zum Ellbogen hoch. »Warum kaufst du diesem Kerl alles ab, was er sagt?«
»Was meinst du damit?«
Er wird immer wütender. »Ich meine damit, dass du der einzige Grund bist, warum ich nicht einfach das Autofenster eingeschlagen und deinem Elektor ein Messer in den Hals gerammt habe. Weil ich wusste, dass du einen guten Grund haben musstest. Und jetzt sieht es so aus, als hättest du dich einfach gutgläubig von ihm einwickeln lassen. Was ist denn mit deinem Sinn für Logik passiert?«
Die Art, wie Day Anden meinen Elektor nennt, gefällt mir nicht. Es ist, als befänden wir uns immer noch auf unterschiedlichen Seiten. »Ich sage nur die Wahrheit«, erwidere ich leise. »Und soweit ich mich erinnern kann, bist du kein Mörder.«
Day wendet sich von mir ab und murmelt etwas in sich hinein, das ich nicht verstehe.
Ich verschränke die Arme. »Erinnerst du dich daran, wie ich dir vertraut habe, obwohl alles darauf hindeutete, dass du der Feind warst? Im Zweifel für den Angeklagten, dachte ich und habe dafür alles geopfert, woran ich jemals geglaubt habe. Ich kann dir sagen, dass Anden zu ermorden nichts ändern würde. Er ist der einzige Mensch, den die Republik im Moment wirklich braucht – jemand mit genug Macht, um von innen heraus etwas zu verändern.
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