Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
Gänge herum und prägt sich jeden verfluchten Riss in der Wand ein.
Ich reiße die Küchenschubladen auf, greife mir einen leeren Jutesack und fange an, ihn mit allen möglichen Lebensmitteln zu füllen. Reis. Mais. Kartoffel- und Champignonsuppe. Drei Päckchen Cracker. (Wie nett – alles geht den Bach runter, aber wenigstens kann ich mich sattfuttern.) Als Letztes packe ich noch für jeden von uns ein paar Flaschen Wasser ein und binde den Sack zu. Das sollte fürs Erste reichen. Bald werden wir uns wieder auf den Weg machen müssen und wer weiß schon, wie lang der Rest dieses Tunnels ist oder wann wir einen weiteren Bunker erreichen? Wir müssen uns auf den Weg in die Kolonien machen. Vielleicht helfen sie uns ja dort, wenn wir es erst mal auf die andere Seite geschafft haben. Andererseits sollten wir wohl lieber für eine Weile untertauchen. Schließlich haben wir einen Mordanschlag vereitelt, den die Kolonien finanziert haben. Ich stoße einen tiefen Seufzer aus und wünschte, ich hätte mehr Zeit gehabt, um mich mit Kaede zu unterhalten. Vielleicht hätte ich noch ein paar Geschichten über das Leben auf der anderen Seite der Front aus ihr herauskitzeln können.
Wie konnten unsere Pläne bloß dermaßen schiefgehen?
Es klopft leise an die Küchentür. Ich drehe mich um und sehe June mit verschränkten Armen dastehen. Sie hat ihren Republikmantel aufgeknöpft – ihr Hemd und die Uniformjacke darunter wirken zerknittert. Ihre Wangen sind rosiger als sonst und ihre Augen gerötet, so als hätte sie geweint. »Die Stromleitungen hier unten sind nicht mit dem Netz der Republik verbunden.« Wenn sie tatsächlich geweint hat, hört man es ihr jedenfalls nicht an. »Die Kabel führen zum anderen Ende des Tunnels, dorthin, wo wir noch nicht waren.«
Ich wende mich wieder meinen Konserven zu. »Ach ja?«
»Das bedeutet also, der Strom hier unten muss aus den Kolonien kommen, oder?«
»Wahrscheinlich. Kann sein, ja.« Ich straffe den Rücken und binde auch den zweiten Jutesack, den ich gepackt habe, fest zu. »Zumindest bedeutet es, dass dieser Tunnel irgendwo an die Oberfläche führt, und führt er in die Kolonien, umso besser. Wenn wir uns wieder auf den Weg machen, können wir einfach den Leitungen folgen. Aber wahrscheinlich sollten wir uns erst mal ausruhen.«
Ich will gerade an June vorbei aus der Küche gehen, als sie sich räuspert. »Hey, haben die Patrioten dir eigentlich irgendwas übers Kämpfen beigebracht, als du bei ihnen warst?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein. Wieso?«
June dreht sich zu mir um. Die Küchentür ist so schmal, dass ihre Schultern meine berühren, und ich bekomme eine Gänsehaut an den Armen. Ich ärgere mich, dass sie trotz allem immer noch eine solche Wirkung auf mich hat.
»Als wir in den Tunnel geflohen sind, habe ich gesehen, dass du nur aus den Schultern nach den Patrioten geschlagen hast … aber das ist nicht besonders effektiv. Du solltest den Schwung aus den Beinen oder der Hüfte holen.«
Ihre Kritik zehrt an meinen Nerven, auch wenn ihr Tonfall seltsam zögerlich ist. »Ich will mir jetzt nicht über so was Gedanken machen.«
»Wann denn dann, wenn nicht jetzt?« June lehnt sich an den Türrahmen und deutet auf den Eingang des Bunkers. »Was ist, wenn wir hier unten Soldaten begegnen?«
Ich seufze und hebe für einen Moment die Hände. »Also, wenn das deine Art ist, dich nach einem Streit zu entschuldigen, dann bist du echt mies darin. Hör zu. Tut mir leid, dass ich vorhin so ausgerastet bin.« Ich halte inne und denke über meine Worte nach. Es tut mir nicht leid. Doch ihr das zu sagen, bringt uns jetzt auch nicht weiter. »Gib mir noch ein paar Minuten, dann geht es mir bestimmt wieder besser.«
»Komm schon, Day. Was ist, wenn du Eden findest und ihn verteidigen musst?« Sie versucht tatsächlich, sich zu entschuldigen, auf ihre ganz eigene, subtile Art. Na ja. Wenigstens versucht sie es, so erbärmlich sie sich dabei auch anstellt. Ein paar Sekunden lang starre ich sie noch finster an. »Okay«, seufze ich schließlich. »Dann zeig mir mal ein paar Tricks, Soldat. Was für Asse hast du denn so im Ärmel?«
June lächelt zaghaft und führt mich dann in die Mitte des Hauptraums. Sie stellt sich neben mich. »Hast du mal Die Kunst des Kämpfens von Ducain gelesen?«
»Sehe ich aus, als hätte ich in meinem Leben besonders viel Zeit zum Lesen gehabt?«
Sie übergeht meine Antwort und ich bekomme sofort ein schlechtes Gewissen.
»Okay, du bist schon mal
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