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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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überleben –, gleich null stünden, wenn ich ihn tatsächlich hier und jetzt töten würde.
    Anden setzt sich neben mich, wobei er sorgsam auf einen gewissen Abstand achtet. Mit einem Mal schäme ich mich für mein Aussehen: Erschöpft und müde, die Haare zerzaust und im Pyjama, sitze ich neben dem gut aussehenden Prinzen der Republik. Dennoch straffe ich die Schultern und hebe so anmutig wie möglich das Kinn. Ich bin June Iparis , sage ich mir. Ich werde ihn nicht sehen lassen, was für ein Chaos in meinem Inneren tobt.
    »Ich wollte Sie wissen lassen, dass Sie recht hatten«, beginnt er schließlich. Die Wärme in seiner Stimme wirkt aufrichtig. »Zwei Soldaten aus meiner Leibwache sind heute Nachmittag verschwunden. Geflohen.«
    Die beiden Lockvögel der Patrioten haben sich also abgesetzt, genau wie geplant. Ich seufze und blicke ihn mit gespielter Erleichterung an – nur für den Fall, dass Razor zusieht. »Wo sind sie jetzt?«
    »Das wissen wir nicht genau. Unsere Späher sind noch dabei, ihre Spur zu verfolgen.« Anden reibt einen Moment lang seine behandschuhten Hände aneinander. »Commander DeSoto hat einen neuen Trupp von Soldaten geschickt, der uns begleiten soll.«
    Razor. Er bringt seine eigenen Soldaten in Position und bereitet alles für den tödlichen Schlag vor.
    »Ich möchte Ihnen für Ihre Hilfe danken, June«, fährt Anden fort. »Und mich dafür entschuldigen, dass Sie sich dem Lügendetektortest unterziehen mussten. Ich weiß, dass muss sehr unangenehm für Sie gewesen sein, aber es war leider notwendig. Ich bin Ihnen jedenfalls dankbar für Ihre ehrlichen Antworten. Wir werden Sie noch ein paar Tage hierbehalten, bis wir sicher sind, dass von den Patrioten keine Gefahr mehr droht. Bis dahin kann es sein, dass wir noch die eine oder andere Frage an Sie haben. Danach werden wir uns auf die Suche nach einem angemessenen Posten für Sie machen.«
    »Vielen Dank«, sage ich, obwohl sich die Worte vollkommen hohl anfühlen.
    Anden beugt sich zu mir herüber. »Das, was ich bei unserem Dinner gesagt habe, war ernst gemeint«, flüstert er gehetzt, seine Lippen bewegen sich kaum. Er ist nervös.
    Mit einem Mal fühle ich mich beobachtet – ich lege einen Finger an die Lippen und werfe ihm einen warnenden Blick zu. Seine Augen weiten sich, aber er weicht nicht zurück. Stattdessen berührt er sanft mein Kinn und zieht mich zu sich, als wollte er mich küssen. Seine Lippen verharren ein Stückchen neben meinen, unglaublich zart ruhen sie auf der Haut meiner Wange. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, der einen Hauch schlechten Gewissens in sich trägt.
    »Wegen der Kameras«, flüstert er. Keine schlechte Idee für ein unbeobachtetes Gespräch; wenn ein Soldat den Kopf zur Tür hereinstecken sollte, sähe es aus, als würde Anden mich küssen, statt verschwörerisch mit mir zu flüstern. Definitiv ein harmloseres Gerücht, das in Umlauf gebracht werden könnte. Und die Patrioten würden denken, dass ich ihren Plan vorbildlich umsetze.
    Andens Atem trifft warm auf meine Haut. »Ich brauche Ihre Hilfe«, murmelt er. »Wenn die Republik Sie begnadigen und von Ihren Verbrechen freisprechen würde, könnten Sie dann mit Day in Kontakt treten? Oder ist Ihre … Freundschaft jetzt vorbei, nachdem Sie nicht mehr für die Patrioten arbeiten?«
    Ich beiße mir auf die Lippe. So wie Anden das Wort Freundschaft ausspricht, wirkt es, als hätte er den Verdacht, zwischen Day und mir wäre mal etwas gewesen. Früher mal. »Warum wollen Sie, dass ich mit ihm in Kontakt trete?«
    In seiner Stimme liegt eine ruhige, aber fordernde Dringlichkeit, bei der ich eine Gänsehaut bekomme. »Sie und Day sind die beliebtesten Menschen in der ganzen Republik. Wenn ich ein Bündnis mit Ihnen beiden schließen könnte, würde mir das Volk vielleicht vertrauen. Statt mich mit Aufständen herumzuplagen und den großen Zusammenbruch zu verhindern, könnte ich mich voll und ganz auf die Veränderungen konzentrieren, die dieses Land braucht.«
    Mir wird schwindelig. Das hatte ich nicht erwartet, ich bin völlig perplex und einen Moment lang weiß ich nicht einmal, wie ich reagieren soll. Anden geht ein immenses Risiko ein, indem er mit mir über solche Dinge spricht. Ich schlucke, meine Wangen glühen noch immer, weil er mir so nah ist. Ich drehe ein winziges bisschen den Kopf, um ihm in die Augen sehen zu können. »Warum sollten wir Ihnen vertrauen?«, entgegne ich ruhig. »Wie kommen Sie darauf, dass Day Ihnen helfen

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