Legend - Fallender Himmel
mich.
Commander Jameson ruft ihn zurück, bevor er den Spion abermals schlagen kann. »Schon gut. Lassen Sie uns hören, was unser Freund gegen die Republik vorzubringen hat.«
Das Gesicht des Spions ist scharlachrot angelaufen, so lange hängt er schon kopfüber von der Decke. »Das nennen Sie eine Republik? Ein Land, das sein eigenes Volk ermordet und dessen Bürger ihre einstigen Brüder foltern?«
Bei diesen Worten verdrehe ich die Augen. Die Kolonien wollen uns glauben machen, dass es nur zu unserem Besten wäre, wenn wir sie unser Land einnehmen ließen. Als würden sie uns einen Gefallen damit tun, wenn sie sich uns einverleiben. Sie sehen in uns einen armen kleinen Randstaat, als wären in Wirklichkeit sie die Stärkeren. Und natürlich wäre eine solche Entwicklung in ihrem Interesse, denn schließlich haben die Überflutungen wesentlich mehr von ihrem Land gefordert als von unserem. Und das ist alles, worum es seit jeher geht. Land, Land, Land. Doch zu einer Vereinigung ist es nie gekommen und das wird es auch nicht. Wir werden sie besiegen oder bei dem Versuch sterben.
»Ich sage nichts«, stößt er hervor. »Sie können machen, was Sie wollen, aber ich sage nichts.«
Commander Jameson lächelt Thomas an, der zurücklächelt. »Nun, Sie haben Mr Graham gehört. Sie können machen, was Sie wollen.«
Thomas knöpft sich den Gefangenen wieder vor und nach einer Weile muss ihm der andere Soldat zu Hilfe kommen, um den Spion festzuhalten. Ich zwinge mich, dabei zuzusehen, wie sie versuchen, Informationen aus ihm herauszubekommen. Ich muss das schließlich lernen, mich daran gewöhnen. Die Schreie des Spions gellen mir in den Ohren. Ich schiebe den Gedanken von mir, dass seine Haare genauso glatt und dunkel sind wie meine, seine Haut genauso blass und dass mich sein Alter mehr und mehr an Metias erinnert. Ich sage mir, dass der Mann, den Thomas foltert, nicht Metias ist. Das ist unmöglich.
Metias kann nicht mehr gefoltert werden. Metias ist schon tot.
In dieser Nacht begleitet mich Thomas zurück zu meiner Wohnung und gibt mir einen Kuss auf die Wange, bevor er geht. Er ermahnt mich, vorsichtig zu sein, und erinnert mich daran, dass er mittels meines Mikrofons alles mitverfolgen wird. »Wir werden auf Sie aufpassen«, versichert er mir. »Sie sind da draußen nicht allein, es sei denn, Sie entscheiden sich selbst dafür.«
Ich zwinge mich zu einem Lächeln. Und dann bitte ich ihn, sich um Ollie zu kümmern, während ich unterwegs bin.
Als ich schließlich in der Wohnung bin, rolle ich mich auf dem Sofa zusammen und lege den Arm auf Ollies Rücken. Er schläft fest, aber er drückt sich, so dicht es geht, an die Seite des Sofas. Wahrscheinlich ist ihm Metias’ Abwesenheit genauso bewusst wie mir.
Auf der Glasplatte des Couchtischs stapeln sich alte Fotos unserer Eltern, die Metias in seinem Kleiderschrank aufbewahrt hat. Außerdem liegen dort seine Tagebücher und ein Heftchen, in dem er kleine Erinnerungen an Dinge, die wir zusammen gemacht haben, aufgeschrieben hat - ein Opernbesuch, Abendessen mitten in der Nacht, frühmorgendliche Trainingsrunden. Seit Metias tot ist, durchsuche ich immer wieder seine Aufzeichnungen, in der Hoffnung, einen Hinweis auf das zu finden, worüber er am Abend seines Todes mit mir sprechen wollte. Wieder blättere ich eins der Tagebücher durch und lese dann zum wiederholten Mal die Anmerkungen, die Dad immer an den unteren Rand der Fotos geschrieben hat. Das aktuellste Bild zeigt unsere Eltern mit einem sehr jungen Metias vor der Batalla-Zentrale. Alle drei recken ihren Daumen in die Luft. Metias' zukünftige Karriere ist gesichert! 12. März. Ich starre auf das Datum. Das Foto wurde ein paar Wochen bevor sie gestorben sind gemacht.
Auf der Kante des Couchtischs liegt mein Aufnahmegerät. Ich schnippe zweimal mit den Fingern und höre mir wieder und wieder Days Stimme an. Was für ein Gesicht gehört zu dieser Stimme? Ich versuche, mir vorzustellen, wie er aussieht. Jung und athletisch wahrscheinlich und dünn von den Jahren, die er auf der Straße gelebt hat. Die Stimme dringt so knisternd und verzerrt aus den Lautsprechern, dass ich manches nicht verstehe.
»Hörst du das, Ollie?«, flüstere ich. Ollie schnarcht ein bisschen und reibt seinen Kopf an meiner Hand. »Das ist unser Mann. Und ich habe ganz fest vor, ihn mir zu schnappen.«
Als ich einschlafe, hallt mir noch immer Days Stimme durch den Kopf.
6:25 Uhr
Ich bin im Lake-Sektor und sehe zu, wie das
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