Legend - Fallender Himmel
Plätzen.«
»Okay. Wir haben rund um die Uhr Leute hier.«
Rund um die Uhr Leute hier bedeutet, dass Thomas die ganze Zeit allein dort sitzt und auf Lebenszeichen von mir lauscht, so viel ist mir klar. »Danke«, flüstere ich. »Gehe jetzt auf off.« Ich schnalze mein Mikrofon aus. Mein Magen knurrt. Ich ziehe ein Stück Hähnchenfleisch aus der Tasche, das ich im Hinterhof eines Restaurants gefunden habe, und zwinge mich, es zu kauen, wobei ich versuche, den schleimigen Geschmack des kalten Bratenfetts zu ignorieren. Wenn ich wie ein Bewohner des Lake-Sektors leben will, dann muss ich mich auch wie einer ernähren. Vielleicht sollte ich mir einen Job suchen, überlege ich. Bei der Vorstellung muss ich leise schnauben vor Belustigung.
Als ich schließlich einschlafe, habe ich einen Albtraum und Metias kommt darin vor.
Auch am nächsten und übernächsten Tag finde ich nichts Handfestes heraus. Meine Haare werden von der Hitze und all dem Dunst stumpf und verfilzen und auf meinem Gesicht beginnt, sich eine permanente Schmutzschicht zu bilden. Als ich mein Spiegelbild im Seewasser betrachte, wird mir bewusst, dass ich nun tatsächlich wie eine Bettlerin von der Straße aussehe. Alles an mir fühlt sich schmutzig an. Am vierten Tag mache ich mich auf den Weg in die Gegend zwischen Lake und Blueridge und beschließe, dort durch die Kneipen zu streifen.
Und schließlich passiert etwas. Ich stolpere geradewegs in einen Skiz-Kampf.
DAY
Die Regeln, um bei einem Skiz-Kampf mitzuwetten, sind denkbar einfach:
1. Man sucht sich den Kämpfer aus, von dem man glaubt, dass er gewinnen wird.
2. Man wettet auf den Kämpfer.
Das ist alles. Blöd nur, wenn man ein gesuchter Verbrecher ist und darum nicht hingehen und mitwetten kann, weil man damit riskiert, von der Polizei erwischt zu werden.
An diesem Nachmittag hocke ich hinter dem Schornstein eines alten, verfallenen Lagerhauses. Von hier aus kann ich die Menschenmenge beobachten, die sich in dem verlassenen Gebäude nebenan versammelt hat. Ich bin sogar nah genug, um ein paar Gesprächsfetzen aufzuschnappen.
Und um Tess im Auge zu behalten. Denn Tess ist da unten - ihre zarte Gestalt geht in dem Gewühl beinahe unter -, mit einer Börse voll mit unserem Geld und einem Lächeln im Gesicht. Ich beobachte, wie sie den anderen Zuschauern zuhört, während die über die Kämpfer fachsimpeln. Sie stellt ihnen ein paar Fragen. Ich wage es nicht, sie aus den Augen zu lassen. Wenn die Straßenpolizisten mit ihren Schmiergeldern unzufrieden sind, beenden sie die Skiz-Kämpfe manchmal und nehmen Leute fest. Darum stehe ich nie in der Menge, wenn Tess und ich uns einen Kampf anschauen. Wenn sie mich schnappen und meine Fingerabdrücke nehmen, sind wir beide erledigt. Tess dagegen ist listig und flink. Ihr fällt es bei einer Razzia sehr viel leichter zu entkommen als mir. Das bedeutet aber nicht, dass ich sie allein lasse.
»Nicht stehen bleiben, Cousine«, murmele ich vor mich hin, als Tess innehält und über den Witz eines jungen Zuschauers lacht. Komm ihr ja nicht zu nahe, du Trottel!
Am anderen Ende der Menschenmenge erhebt sich Lärm. Mein Blick huscht für eine Sekunde dorthin. Eine der Kämpferinnen heizt die Zuschauer an, indem sie die Arme in die Luft reißt und irgendetwas schreit. Ich lächele. Das Mädchen heißt Kaede, zumindest schließe ich das aus den Rufen der Zuschauer. Es ist die Barkeeperin, die ich vor ein paar Tagen kennengelernt habe, als ich durch den Alta-Sektor gezogen bin. Sie dehnt ihre Handgelenke, dann wippt sie ein paarmal auf den Fußballen auf und ab und schüttelt ihre Arme aus.
Kaede hat bereits einen Kampf gewonnen. Dem unausgesprochenen Skiz-Regelwerk zufolge muss sie jetzt so lange weiterkämpfen, bis sie eine Runde verliert - das heißt, bis ihre Gegnerin sie zu Boden wirft. Jedes Mal, wenn sie gewinnt, bekommt sie einen Teil der Gesamtsumme, die die Zuschauer auf ihre Gegnerin gewettet haben. Mein Blick wandert zu dem Mädchen, das sie gerade zu ihrer nächsten Herausforderin erkoren hat. Das Mädchen hat olivfarbene Haut, kraus gezogene Augenbrauen und in ihrem Blick liegt Unsicherheit. Ich verdrehe die Augen. Es ist offensichtlich, wie dieser Kampf ausgehen wird. Die Herausforderin hat Glück, wenn Kaede sie am Leben lässt.
Tess wartet einen unbeobachteten Moment ab und wirft mir dann einen schnellen Blick zu. Ich halte einen Finger hoch. Sie grinst, zwinkert kurz in meine Richtung und wendet sich wieder der Menge zu. Dann gibt sie
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